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Frauen-Feuerwehr. Katrin Bauerfeind hatte mit dem Buch „Hinten sind Rezepte drin: Geschichten, die Männern nie passieren würden“ eine Vorlage fürs Projekt geliefert.

© Joyn

"Frau Jordan stellt gleich": Ohren und Eier: Katrin Bauerfeind als Gleichstellungsbeauftragte

Alte weiße Männer und junge nackte Frauen: Katrin Bauerfeind wagt sich mit dem Thema Gleichstellung ins Serienstreaming.

Sind Brüste in der Öffentlichkeit Kunst oder Sexismus? Steht einem Rollstuhlfahrer das Recht auf die barrierefreie Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu, wenn er ein Bordell am Stadtrand besuchen möchte? Ist es akzeptabel, wenn ein Spielzeugladen sein Geschäft in rosa (für Mädchen) und blau (für Jungen) trennt? Es sind heikle Fragen, die sich Katrin Bauerfeind in ihrer neuen Serie stellt, die am Montag beim Streamingsender Joyn startet.

Als Gleichstellungsbeauftragte in einer namenlosen Kleinstadt schlägt sie sich mit Menschen rum, die herzlich wenig für die Thema Gleichstellung respektive Gleichberechtigung übrig haben.

Die Moderatorin, Autorin und Schauspielerin, 37, selber hatte mit ihrem Buch „Hinten sind Rezepte drin: Geschichten, die Männern nie passieren würden“ eine Art Vorlage für dieses Projekt geliefert.

Und alle, die sich noch ein wenig schwer damit tun, die frühere „Ehrensenf“-Moderatorin mit den großen Hauptrollen des hiesigen TV-Marktes (wie neulich im ZDF-Primetime-Krimi an der Seite von Heino Ferch) vertraut zu sehen, werden hier eines Besseren belehrt. Bauerfeind ist diese Serienfigur auf den Leib geschrieben.

Was auch an „Stromberg“-Autor Ralf Husmann liegt, der Ensemble und Stoff als Showrunner so beherzt durch zehn Folgen führt wie die Journalisten in dieser Woche bei der Serien-Präsentation in einem Berliner Kino.

Es hätte ja auch schiefgehen können. Er hatte großen Respekt vor der Frage, sagt Husmann, ob man über das Thema Gleichberechtigung in Deutschland eine Comedyserie machen kann. Alte weiße Männer und junge nackte Frauen. Männer in Pekip-Gruppen. Witze wie den über den rollstuhlfahrenden Kollegen mit seinem Bedürfnis nach Sex, die vielleicht nicht von allen richtig verstanden werden.

Drei barbusige Demonstrantinnen

Da musste jemand ans Drehbuch ran, der die Freiräume, die der Privatsender ProSieben lässt, zu nutzen versteht. Husmann ist ein Pointen-Könner mit Fingerspitzengefühl, auch wenn ihm die eine oder andere mal daneben gerät oder versandet, was an der großen Kinoleinwand bei der öffentlichen Vorstellung liegen mag. Bigger than life ist das Thema Gleichstellung nun auch wieder nicht, selbst wenn es durch die #MeToo-Debatte nach 2017 angeheizt wurde.

Die Geschichten erzählen sich flott auch ohne #MeToo. Da stellt sich die Jordan zwischen zwei Demonstrationsparteien, wirft nach einer sexistischen Beleidigung mit einem Apfel auf einen Demonstranten – der Tumult eskaliert. Da artet der Einstand einer von Jordan protegierten Frau bei der Feuerwehr – immer noch Männerverein – in ein Saufgelage aus.

Da rücken, Femen lässt grüßen, drei barbusige Demonstrantinnen ins Büro der Gleichstellungsbeauftragten und malen Jordans Kollegen Symbole auf die nackte Brust. Da intrigiert die skrupellose Kollegin (grandios: Adina Vetter aus „Vorstadtweiber“) gegen Jordan und den Bürgermeister gleich mit.

Dazu Natalia Belitski als lesbische Kollegin, die im Aufzug so laut über ihre sexuellen Abenteuer plaudert, dass sich die prüde Verwaltungsangestellte wegen Belästigung beschwert. Büro, Büro! Ralf Husmann ist ganz in seinem Element. Und lässt angenehm in der Schwebe, welcher seiner Figuren Sympathien zu schenken sind.

Die Jordan selbst ist nicht frei von Fehl und Tadel, lässt sich mit Kollegen (Alexander Khuon) auf schnellen Sex ein, ohne ihm ihr Herz zu öffnen. Immer für Pointen gut ist Bürgermeister Brinkmann (Ulrich Gebauer), der aus seiner Verachtung für Gleichstellungspolitik keinen Hehl macht.

Ein alter weißer Mann , wie gemalt – und doch keine richtige Hassfigur, trotz Sätzen wie: Politiker bräuchten vier Dinge, zwei Ohren und zwei Eier. Das ist teils realistisch, sagt Husmann, mitunter burlesk, meistens unterhaltsam.

Wenn’s dann doch mal zu konfus zu werden droht, sind die 25 Minuten einer Folge auch schon wieder vorbei. Das Ganze ist immer noch weit von internationalen, gegen den Strich gebürsteten Formaten wie beispielsweise „Fleabag“ entfernt, aber dennoch ein vielversprechender Start für die Serienprojekte des Streamingportals Joyn.

Ob sich damit rosa und blaue Spielzeugabteilungen trennen lassen? „Ich bin froh“, sagt Bauerfeind, „dass wir etwas machen, über das man lachen kann und beim Zähneputzen denkt: ,Vielleicht ist da was dran!’“

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