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Ratlos. Die Ermittler Voss (Fabian Hinrichs) und Ringelhahn (Dagmar Manzel).

© BR/Hager Moss Film/Hendrik Heide

Franken-„Tatort“: Honig & Online-Dating

Was macht der Roller in Nürnberg? Der Franken-„Tatort – Die Nacht gehört dir“ bezieht sich auf einen italienischen Kino-Klassiker.

Wer eine neue Liebe sucht, geht heutzutage online. Kommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) fährt einmal die Woche mit dem Rad auf den Markt in Nürnberg und kauft Honig. Das ist auch der Verkäuferin (Maja Beckmann) aufgefallen, die fragt, ob Voss die Honiggläser bei sich zu Hause stapeln würde, „um mich sooft wie möglich zu sehen“.

Beide strahlen sich an, verabreden sich fürs Kino. Wie weggeblasen ist Voss’ Morgentief, dafür nervt er anschließend Kollegin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) mit seiner überschwänglichen Beschreibung seiner eigenen Gefühle. „Das ist auch Leben“, sagt er. Hier gehe es um Leben und Tod, antwortet Ringelhahn trocken auf dem Weg zum nächsten Job. Am Tatort in einer Nürnberger Altbauwohnung liegt die Leiche von Barbara Sprenger (Anna Tenta), geschieden, allein lebend, leitende Mitarbeiterin eines Immobilienkonzerns. Sie wurde mit Messerstichen an ihrem 42. Geburtstag getötet.

Max Färberböck (Drehbuch, Regie) und Catharina Schuchmann (Drehbuch) haben den ersten Franken-„Tatort“ vor fünf Jahren konzipiert und legen nun den dritten von bisher insgesamt sechs Fällen des Teams Manzel/Hinrichs vor.

Die Polizei findet bald heraus, dass das Opfer nach der Scheidung mit freizügigen Bildern auf Datingportalen aktiv wurde. Die Kollegen scheinen davon nichts zu wissen. Sie beschreiben „Babs“ als sympathisch, großzügig, als eine mitreißende Persönlichkeit, die keinen Einblick in ihr Privatleben gewährt habe.

Sie habe die „absolute Kontrolle über alles“ gehabt, sagt ihr Chef, der sehr aufgeräumt wirkt, vielleicht weil er mit dem Tod von Barbara Sprenger einen Vorwand gefunden hat, um mit dem Rauchen anzufangen. Götz Schubert spielt diesen wundersamen Vorgesetzten, auch sonst fällt die prominente Besetzung (Max Hopp, Maryam Zaree) einiger Nebenrollen auf.

„Ich habe Sie schon erwartet“

Noch rätselhafter als das Opfer ist die vermeintliche Täterin: Theresa Hein (Anja Schneider), 39, eine ebenfalls sehr beliebte Kollegin der getöteten Babs. Sie kaufte das Messer in einem Asia-Shop, bezahlte mit Karte, säuberte die Waffe nach der Tat penibel – und ließ sie in der Spülmaschine zurück. „Ich habe Sie schon erwartet“, sagt sie lächelnd, als Ringelhahn und Voss in der Tür ihres Büros stehen.

Unumwunden gesteht sie die Tat, aber ihre Erklärungen bleiben dürftig und unbefriedigend. Andererseits ergibt die Rekonstruktion am Tatort, dass sie weiß, wie der Hieb mit dem Messer geführt wurde. Der Polizei dämmert, dass es einen unbekannten Dritten gibt. Das Publikum kennt ihn flüchtig, als Schatten hinter der Duschwand, als Fahrer auf einem Roller, der durch Nürnberg düst.

Die Idee mit dem Roller, diesem Gefährt italienischen Lebensgefühls, dürfte nicht von ungefähr kommen. Färberböck/Schuchmann beziehen sich mit „Die Nacht gehört dir“ auch sonst auf einen Kino-Klassiker, auf Roberto Rossellinis Ehedrama „Viaggio in Italia“ (1954) mit Ingrid Bergman und George Sanders. Den Film will Voss mit der Honigverkäuferin sehen.

Es gehe um Trennung, um Verlust, um innere Katastrophen, „also um all das, was heute niemand mehr sehen möchte“, sagt er am Honigstand. Zugleich nimmt Voss vorweg, worum es auch in dieser „Tatort“-Folge geht [„Tatort – Die Nacht gehört dir“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15]. Die Tat wird aufgeklärt. Den Figuren und ihren Beziehungen haftet – im Sinne Rossellinis – bis zum Schluss etwas Rätselhaftes an.

Vor allem aber lassen die eindringlichen Bilder (Kamera: Willy Dettmeyer) und die behutsame Erzählweise etwas vom Ausmaß der „inneren Katastrophen“ erahnen. Ein glückliches Ende wie in der Italien-Reise von Bergman und Sanders ist ausgeschlossen. Außer vielleicht für den Kommissar und die Honigverkäuferin, die am Anfang stehen.

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