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Beziehungsdrama mit Gesangseinlage: Georg (Ole Lagerpusch) und Sophie (Birte Schnöink) treffen sich vor dem Haus.

© rbb/dffb/Markus Koob

"Filmdebüt im Ersten": Vor unserer Haustür

Das Drama „Die Einzelteile der Liebe“ schildert die Beziehungsprobleme junger Elternpaare

Was sich vor der Haustür abspielt, möchte man ja häufig am liebsten ignorieren. In dem gewitzten Beziehungsdrama „Die Einzelteile der Liebe“ ist dieser Ort aber ein überraschend vielseitiger, lebendiger Schauplatz: Ein Ort für eine Party mit Freunden und den Bau eines Sofas, fürs Flirten und Verlieben, fürs Fummeln hinterm vorgehaltenen Mantel, für handfesten Streit, aber auch für ein herzerweichendes Konzert, bei dem Vater, Mutter, Kind kurzzeitig wieder zusammenfinden – indem sie, kein Scherz, gemeinsam „Anneliese, ach Anneliese“ singen.

Miriam Bliese hat ihren ersten Langfilm, der am Dienstag die zwölfteilige ARD-Reihe „Filmdebüt im Ersten“ eröffnet, fast ausschließlich vor der Haustür eines Berliner Mehrfamilienhauses gedreht. Nicht weil die Corona-Pandemie dies erforderlich gemacht hätte, zumal es das Virus zum Zeitpunkt der Dreharbeiten noch gar nicht gab, sondern als bewusste Entscheidung. „Ich wollte einen Zwischenraum zum Mittelpunkt des Geschehens machen. Sätze und Handlungen aufgreifen, die normalerweise am Rande stattfinden, und sie ins Zentrum rücken. Weil ich glaube, dass die Beiläufigkeiten des Lebens oft viel aufschlussreicher sind als die sogenannten ,großen Ereignisse‘“, wird die Absolventin der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin im ARD-Presseheft zitiert.

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Die Geschichte beginnt auf dem Höhepunkt des Konflikts zwischen Georg (Ole Lagerpusch) und Sophie (Birte Schnöink). Der Vater steigt mit dem sechsjährigen Jakob (Justus Fischer) in das bei laufendem Motor parkende Auto. Beide wollen gerade losfahren, als die Mutter aus der Haustür stürzt. Doch Georg gibt ungerührt Gas, während Sophie aufgebracht ans Fenster klopft. „Ich hasse dich“, ruft sie ihrem Ex hinterher, der Jakob offenkundig gegen Sophies Willen aus der einst gemeinsamen Wohnung geholt hat.

Beim nächsten Treffen wirft er ihr vor, sie habe seinen Kontakt zu Jakob systematisch boykottiert – während sie argumentiert, das Kind könne durch den Umgang mit seinem Vater womöglich Schaden nehmen. Außerdem: „Er ist noch nicht mal dein Sohn.“ Diese Bemerkung Sophies findet Georg „das Allerletzte“. Der leibliche Vater hatte Sophie schon vor Jakobs Geburt sitzenlassen, Georg hatte den Jungen schließlich adoptiert.

[ „Die Einzelteile der Liebe“, ARD, Dienstag, 22 Uhr 50 und in der ARD-Mediathek.]

Wie sich Sophie und Georg verliebten und wieder verloren, wird nun episodenhaft und in Zeitsprüngen erzählt. Während anfangs Sophie dank eines festen Jobs die Versorgerin der Familie war, fasste Georg als Architekt erst langsam Fuß. Nach einer Affäre Sophies beendet Georg die Beziehung. Aber auch die Frage, wie es in Zukunft weitergeht, wie die Eltern den Streit um das Sorgerecht austragen und wie dabei Sophies neuer Freund Fred (Andreas Döhler) vermittelt, wird in dem klugen Drama behandelt. Die Perspektive des Kindes ist bei diesem tragikomischen Erwachsenen-Treiben zwar nur Nebensache, bleibt aber dank einiger prägnanter Szenen auch nicht auf der Strecke.

Das minimalistische Konzept funktioniert nicht zuletzt dank der Qualität der Dialoge und des Spiels der Darstellerin und Darsteller. Birte Schnöink und Ole Lagerpusch sind in guten wie in schlechten Zeiten ein glaubwürdiges Paar, reden und spielen pointiert, ohne gekünstelt zu wirken, sind sympathische Typen, die jedoch beide ihren Anteil am Scheitern der Beziehung haben. Der „Zwischenraum“ vor der Haustür erweist sich als durchaus geeignet für Zwischentöne.

Schlager als Kontrastmittel

Dazu liefern einige Schlager den schnulzigen Kontrast. Das ist natürlich weit hergeholt, aber lustig. Welcher Thirtysomething kommt schon auf die Idee, seinem Baby zum Einschlafen „Am Golf von Biskaya“ vorzusingen? Immerhin sind die selbst gesungenen Lieder auf eine solche Weise in die Handlung integriert. Beim optimistischen Finale darf allerdings auch Rudi Carrell („Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“) ran. Die Schlager sind als „ironischer Kommentar“ gedacht. „Sie zitieren ein Idealbild von Liebe, das mit dem heutigen Liebesalltag herzlich wenig gemein hat, und das wir doch als Wunschvorstellung nie ganz loswerden.“

An sechs aufeinander folgenden Dienstagen strahlt das Erste jeweils einen Doppelpack von Debütfilmen aus, wobei einige der Produktionen bereits in den dritten Programmen oder bei Arte gezeigt wurden (oder noch werden). Wie auch „Goliath96“ von Marcus Richardt, in dem Katja Riemann die Mutter eines erwachsenen Sohnes spielt, der sich seit zwei Jahren in seinem Zimmer einschließt.

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