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Sabine Christiansen moderiert neue Talkshow bei n-tv

© dpa

Fernsehkritik: Sabine Christiansen: Comeback im Amateur-TV

Die Runde war illuster und legte inhaltlich mit der Zeit zu. Doch Sabine Christiansen kämpft erst einmal mit der Außenseiterrolle. Joachim Huber über den technisch zuweilen drittklassigen Talk "Agenda 09" auf n-tv.

Doch, der Name zieht noch. Die Runde, die Sabine Christiansen für die Premiere ihrer Talkshow bei n-tv versammeln konnte, war illuster. Thilo Sarrazin, künftiger Vorstand der Bundesbank, BDI-Präsident Hans-Peter Keitel oder Martin Richenhagen, CEO des amerikanischen Landmaschinen-Produzenten AGCO, beugten sich über die anhaltende Wirtschafts- und Finanzkrise. Kenner allesamt, sachlich und fachlich ergänzt um zwei Buddies der Moderatorin: Friedrich Merz und Joachim Hunold.

Merz, das ist ein Finanz- und Wirtschaftspolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und bereits zu ARD-Zeiten von „SC“ Dauergast und glühender Bewunderer der Moderatorin. Der Hochsauerländer rief ehedem bei „Sabine Christiansen“ aus, ihre Talkshow beeinflusse die politische Agenda mehr als der Bundestag. Das schafft Nähe und Dankbarkeit. Außerdem scheidet Merz bald aus dem Parlament aus, da muss die Einladung schnell raus. Und mit Joachim Hunold, Chef der Fluggesellschaft Air Berlin, hatte Christiansen schon Werbekontakt.

„Agenda 09 – Werte und Märkte“, das will offensichtlich ein Wirtschafts-Gespräch sein ohne die üblich gewordenen Talkshow-Accessoires. Keine Inflation der Einspielfilme, keine „Betroffenencouch“, kein Volk in der Runde, nur Entscheider, Kapitalisten, Marktwirtschaftler. Da war die Wiederbelebung der guten alten Talkshow, die dem Fernsehpublikum Frontalunterricht bieten will. War Christiansens ARD-Talk der Hort der Neoliberalen und damit die Tonspur für Dekrete aus der Chefetage, so scheint sich „Agenda 09“ als übergeordnetes Krisenforum zu verstehen.

Sabine Christiansen agierte zu Beginn der knapp 45 Minuten hektisch, eine Fragefontäne sondergleichen ergoß sich auf ihre Gäste. Zugleich dirigierte ihre strenge Brille mit fahrigen Gesten die Herren, die wie die Dame ihren Unterleib hinter hohen Pulten verbargen. Die Kamera zuckte durch den Raum, eine wirre Fahrt, eine falsche Perspektive nach der anderen, miese Ausleuchtung obendrein  – n-tv muss diesen Talk noch kräftig üben, wenn die „Agenda 09“ mehr werden soll als Amateur-TV. Das war stellenweise nicht zweit-, das war drittklassig.

Beim Inhalt immerhin wurde es allmählich besser, als Christiansen sich und die Runde auf konkrete Themenschwerpunkte wie ein drittes Konjunkturpaket konzentrierte, zugleich dessen Chancen und Risiken erörtern ließ. Da lotete die Runde tiefer und mit dem Sachverstand, der einer Versammlung von Experten ansteht, die nicht nur irgendwelche Lobbyismen bedienen will. Was die künftige „Agenda“ dringend braucht, ist der Fokus auf ein Thema statt der wilden Hopserei durch ein thematisch unbegrenztes Feld.

Von der Substanz und der Qualität der Premiere her gesehen, schaut sich Sabine Christiansen die Konkurrenz der Talkshows in den so genannten Hauptprogrammen von ARD bis ZDF erst einmal aus der Außenseiterposition an. Sie ist nicht mehr oben, sie ist hinten. Dort aber muss sie nicht bleiben.

Sabine Christiansen hatte das deutsche Talk-Fernsehen für beinahe zwei Jahre verlassen. Damals, im Juni 2007, rauschte die Moderatorin nach zehn erfolgreichen ARD-Jahren mit stolz erhobenem Haupt aus der Arena. Dieser Abschied war freiwillig, der endgültige war unfreiwillig. Wegen eines bis heute nicht aufgeklärten Werbevertrages von „SC“ mit Daimler-Benz zeigte die ARD die kalte Schulter. Moral, das kann das Erste, siehe nur den Hard-Talker Michel Friedman, der nach einer Affären-Kombo aus Prostituierten und Drogen die ARD zu verlassen hatte.

Aber so reich ist das deutsche Fernsehen nicht an Talenten und Prominenz. Also landete Friedman beim privaten Nachrichtensender N 24 und Christiansen beim Konkurrenten n-tv. Ist das unehrenhaft, diese Art von Fernseh-Hartz-IV für die immer noch Bessergestellten im Lande? Nein, zwei Menschen, die vielleicht nichts besser können als Talkfernsehen, sorgen für ihren Lebensunterhalt. Das ist aller Ehren wert.

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