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"Facebook ist kein Ort für Hass und Intoleranz", sagt Facebook-Chefin Sheryl Sandberg am Montag in Berlin. Die Praxis sieht leider anders aus.

© Kay Nietfeld/dpa

Facebook-Initiative gegen Hatespeech: Mit Liebe gegen Hass

Hass und Hetze werden täglich auf den Seiten von Facebook ausgekübelt - wie sollen Nutzer reagieren? Top-Managerin Sheryl Sandberg gibt Ratschläge in Berlin.

Kurz bevor sie wieder hinausrauscht in den Berliner Abend, entdeckt sie noch einen Poncho. Rot, kuschelige Wolle, im Schlussverkauf reduziert für 50 Euro. Sheryl Sandberg besteht darauf, zu bezahlen. Zwölf Unternehmensgründer schauen zu, wie sie ihr Portemonnaie zückt. Frau Facebook kauft ein.

"That's great", sagt Sandberg jedes Mal

Der Termin in dem Bekleidungsgeschäft Peccato in Berlin-Friedrichshain ist am Montagabend einer der angenehmeren für Sandberg, 46 und operative Geschäftsführerin des weltweit größten sozialen Netzwerks. Die Unternehmer stellen sich vor, schwärmen von der Entwicklung ihres Geschäfts, auch dank der Anzeigenschaltung auf Facebook. „That’s great“, antwortet Sandberg jedes Mal.

Noch eine halbe Stunde zuvor ging es im Hotel de Rome um ein Thema, das ganz und gar nicht „great“ ist: Um die Hasskommentare, die täglich auf den Seiten von Facebook ausgekübelt und oftmals nicht gelöscht werden. Massiv wurde das US-Unternehmen in den vergangenen Monaten dafür kritisiert. Sandberg macht auf der Durchreise zum Weltwirtschaftsforum in Davos deshalb einen Zwischenstopp in Berlin, sie will das klare Signal setzen: Wir nehmen euch ernst in Deutschland.

Facebook ist dafür verantwortlich, Hasspostings zu entfernen. Das ist doch nur eine billige Tour sich der Verantwortung zu entziehen.

schreibt NutzerIn onkelrie

Eine Million Euro für die "Initiative für Zivilcourage Online"

Der kleine Konferenzsaal des Hotels ist deshalb gut gefüllt, auch einige Journalisten sind eingeladen. Sandberg, eine zierliche, aber energische Frau, nimmt vorne auf der Bühne Platz. Sie hat Geld mitgebracht, rund eine Million Euro will das US-Unternehmen investieren in die „Initiative für Zivilcourage Online“, um Hass und Hetze im Netz zu bekämpfen. Ein Teil davon soll an Organisationen gehen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, wie die Berliner Amadeu Antonio Stiftung, die zunehmend Hetze gegen Flüchtlinge beobachtet. „Da, wo der Hass im Netz ordentlich befeuert wird, gehen die Leute dann auch auf die Straße und hauen zu“, erzählt die Vorsitzende Anetta Kahane, die mit Sandberg auf der Bühne sitzt. Hass und Hetze im Netz sind für sie deshalb nicht nur lästiger Dreck, den es zu beseitigen gilt. „Wie wir mit dieser Herausforderung umgehen, wird entscheidend sein für unsere Umgangskultur in der Zukunft“, sagt Kahane.

„Erst kommen die Worte, dann kommen die Taten“, bekräftigt Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) am Dienstagmorgen im ZDF-„Morgenmagazin“, mehr als 500 Anschläge mit mutmaßlich rechtsextremem Hintergrund hat es 2015 auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte gegeben.

„Das beste Mittel gegen Hass ist Liebe"

Gibt es in Deutschland, wo 27 Millionen Menschen Facebook nutzen, womöglich ein besonderes Problem mit Hasskommentaren? Diese Frage lächelt Sandberg am Montag weg, sie bleibt lieber allgemein. „Im Netz kann jeder seine Stimme erheben“, sagt sie, aber das bedeute eben auch die Verbreitung von Hassbotschaften. Facebook aber sei kein Ort für Hass und Intoleranz, betont sie – was in der Praxis nur leider nicht stimmt.

Was also ist dagegen zu tun? „Das beste Mittel gegen Hass ist Liebe, das beste Mittel gegen Intoleranz ist Toleranz“, erklärt Sandberg. „Counter-Speech“, Gegenrede, sei „ein mächtiges Instrument“, um gegen Hasskommentare vorzugehen. Solchen Stimmen müssten gestärkt werden, für eine entsprechende Marketingkampagne wolle Facebook deshalb den anderen Teil der Millionen ausgeben – eine Aktion, die auch dem Image von Facebook dienlich sein dürfte. Die aber nicht ausreicht, um Hass und Hetze auf den Seiten des Netzwerks beizukommen.

Hasskommentare sollen nach 24 Stunden verschwinden

Doch Sandberg lässt am Montag die Chance verstreichen, endlich konkrete Zahlen vorzulegen, an denen die Ernsthaftigkeit des Engagements überprüft werden könnte. Sie sagt nicht, wie viele deutschsprachige Mitarbeiter in Dublin – und seit Kurzem auch in Berlin – gemeldete Kommentare prüfen und gegebenenfalls löschen. Sie nennt auch nicht die Zahl der überprüften und gelöschten Beiträge. Sie bringt nichts Messbares mit außer den Betrag von einer Million Euro.

Staatssekretär Gerd Billen aus dem Bundesjustizministerium, der neben Sandberg auf dem Podium sitzt, erinnert deshalb noch einmal an die Vereinbarung, die im Rahmen der von Maas initiierten „Taskforce“ getroffen wurde: Innerhalb von 24 Stunden müssen gemeldete Hasskommentare verschwinden. Ob das klappt, soll im Sommer überprüft werden.

Sheryl Sandberg lächelt. Nach knapp 20 Minuten verabschiedet sie sich zum Termin in Friedrichshain. Die Hasskommentare sind hier kein Thema mehr. Es geht ums Geschäft. Auch der Poncho kratzt nicht.

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