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Protest gegen die Reform des EU-Urheberrechts in Stuttgart

© dpa

EU beschließt Reform des Urheberrechts: Gut gemeint, schlecht gemacht, bald EU-Recht

Die Europäische Union hatte die Chance, die Rolle der Internet-Plattformen für die nächste Dekade zu definieren. Doch sie wurde vertan. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Kurt Sagatz

Die überfällige Reform des europäischen Copyrights hätte zum großen Tag für die Rechte der Urheber werden können. Doch dazu hätte der Nachjustierung bei den besonders umstrittenen Artikeln 11 und 13 bedurft, worauf das Europa-Parlament sich nicht einließ. So wurde die Kritik an der Vorabkontrolle durch die Upload-Filter nicht ausgeräumt, sondern überstimmt.

Ziel der Reform war, die legitimen Interessen von Autoren, Musikern, Fotografen, Filmschaffenden, den Verlagen und anderen Rechteverwertungsgesellschaften durchzusetzen. Selbst von den Reformgegnern wird nicht bestritten, dass sie von den großen Internetplattformen ihren Anteil an den Erlösen erhalten sollen, die mithilfe ihrer kreativen Leistungen erwirtschaftet werden. Doch es kam anders, und nun muss es heißen: Gut gemeint, schlecht gemacht – und bald EU-Standard.

Die Unwucht bleibt

Mit der Urheberrechtsnovelle sollten die Unwuchten in der Digitalwirtschaft behoben werden. Auf der einen Seite die US-Giganten mit ihren Milliardengewinnen, auf der anderen die schwächelnde europäische Kreativwirtschaft. Doch der EU scheint abermals der Wille zu einer konsequenten Internetstrategie zu fehlen. Gerade erst scheiterte das Vorhaben einer europaweiten Digitalsteuer von drei Prozent an den Werbeeinnahmen der Internet-Giganten am Veto einiger Mitgliedsländer. Beim Urheberrecht drohen nun ebenfalls nationale Alleingänge, auch ein deutscher, wenn die CDU mit ihrer Ankündigungen ernst macht, bei der Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht auf den Einsatz von Upload-Filtern zugunsten von Pauschalvergütungen zu verzichten. Dann droht ein Ausnahmewildwuchs. Größere Plattformen kämen damit womöglich noch zurecht, für kleinere könnten sie das Aus bedeuten, wenn sie für jedes Land eigene Verträge aushandeln müssten.

Die europäische Urheberrechtsreform wäre eine Chance gewesen, die Rolle von Internetkonzernen für die nächste Dekade zu definieren. Betreiben sie neutrale Plattformen? Oder sind sie die Medienhäuser der digitalen Zukunft, die selbst bestimmen, was sie veröffentlichen oder zur Veröffentlichung zulassen? Diese Klärung betrifft vom Urheberrecht über den Datenschutz und das Medienrecht bis zur Besteuerung viele Fragen für ein Internet als Lebensraum für alle. Diese Frage wurde nicht gestellt und nicht beantwortet – und somit wurde eine gute Chance vorerst vertan. Die Abstimmung zum Copyright fiel knapper aus, als erwartet, aber dennoch eindeutig.

Unter der Gürtellinie

„Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Freiheit raubt“ – besonders mit diesem Slogan hatten am vergangenen Wochenende mehr als 170 000 zumeist junge Europäer versucht, die Parlamentsentscheidung noch herumzureißen. Sie wollten zeigen, dass der Protest gegen die EU-Novelle von Menschen, nicht – wie unterstellt – von Bots und Algorithmen der mächtigen Internetkonzerne ausgeht. Dass den Demonstranten unterstellt wurde, sie würden von Google und Facebook bezahlt, war ein unwürdiger Schlag unter die Gürtellinie und verstärkt höchstens den Generationenkonflikt. Dabei hat die europäische Staatengemeinschaft auch ohne den schon genug Probleme mit dem inneren Zusammenhalt. Wie sehr die Debatte um das neue Urheberrecht der Begeisterung der Menschen für die europäische Idee schadet, dürfte sich bei der Europawahl zeigen.
Wie die einzelnen Abgeordneten abgestimmt haben, können Sie hier im PDF-Dokument nachlesen.

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