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"Sea Watch"-Kapitänin Pia Klemp berichtet zur Primetime bei Joko & Klaas von der Rettung von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer.

© dpa

Ein Mittwoch der Ernsthaftigkeit: Wie ProSieben auch entertainen kann

Flüchtlingsrettung, Obdachlosigkeit, Neonazis - ProSieben hat Haltung bewiesen. Aber Surfen auf der Rezo-Welle reicht nicht. Ein Kommentar

Das haben sie jetzt davon, die Verantwortlichen von ProSieben. Haben ihren Entertainment-Heroen Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf am Mittwoch 15 Sendeminuten zur freien Verwendung überlassen und Joko & Klaas haben ernst gemacht: kein Klamauk, sondern Flüchtlingshilfe, Obdachlosigkeit und Kampf gegen Rechtsextremismus. Drei Menschen nacheinander auf einem Stuhl im Studio haben die Themen ins Publikum erzählt: die „Sea Watch“-Kapitänin Pia Klemp, Dieter Puhl, der zehn Jahre lang die Bahnhofsmission am Bahnhof Zoo geleitet hat, schließlich die Autorin Birgit Lohmeyer, die in der mecklenburgischen Neonazi-Hochburg Jamel lebt und arbeitet.

Weniger ProSieben-Fernsehen war bei ProSieben selten. Der Privatsender holt sich seine Quoten beim jungen Publikum für gewöhnlich mit Hollywood-Kino, „Big Bang Theory“, „Next Topmodels“ – und mit den Challenge-Shows von und mit Joko & Klaas.

Aber es gab auch mal einen Stefan Raab, der mit „TV total“, der Polit-Talkshow „Absolute Mehrheit“, Sondersendungen vor Bundestagswahlen (gesellschaftliche) Realität ins Programm brachte. Klaas Heufer-Umlauf hat das mit seinem Late-Night-Talk zaghaft fortgesetzt. So muss es weitergehen, sichtbar, wahrnehmbar, in der Primetime, wenn der Mittwoch der Ernsthaftigkeit nicht nur ein Mitsurfen auf der aktuellen Rezo-Welle gewesen sein will.

Große Resonanz im Netz

1,77 Millionen Zuschauer haben die Viertelstunde bei ProSieben eingeschaltet, bei Youtube wurde das Video bis Donnerstagnachmittag rund 800.000 Mal angeklickt, der Hashtag #JKlive hat Konjunktur. Die Reaktionen im Netz sind durchweg zustimmend bis begeistert, die Beschimpfung, da seien „Linkspropagandisten“ am Werk, die gibt es auch.

Aber Zustimmung und Ablehnung finden in einem ernsthaften Kontext statt, der nichts mit Kandidatenbashing bei Castingshows und Ähnlichem zu schaffen hat. Die Rettung von Flüchtlingen, die Unterstützung von Obdachlosen, der Kampf gegen Rechtsradikale, das sind keine Themen, die an einem Fernsehmittwoch zu erledigen wären. Sie sind komplex, kompliziert, ihre kraftvolle Kenntlichmachung durch eloquente „Propagandisten“ braucht Vertiefung und Spiegelung. Die ProSieben-Viertelstunde war ein Fest der Emotion, ein Statement der guten Tat.

Das ist viel, aber reicht das schon? Ursachen und Wirkungen für das politisch Inkorrekte müssen ausführlich beleuchtet werden. ProSieben hat seit Mittwoch eine weitere Aufgabe, das Fernsehprogramm für die Generation Rezo hat sich in eine neue Verantwortung hineingesendet. Zum Entertainment muss das Edutainment treten.

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