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„Wir waren der einzige deutsche TV-Sender, der live berichtet hat“. Robin Lautenbach stand beim Mauerfall 1989 für die „Tagesthemen“ am Brandenburger Tor und am Übergang in der Invalidenstraße.

© Tsp

Ein Blick zurück mit Robin Lautenbach: Der Mann, mit dem im Fernsehen die Mauer fiel

Als Robin Lautenbach am 9. November 1989 für die "Tagesthemen" zur Berliner Mauer fuhr, wurde die Öffnung für den nächsten Tag erwartet. Es kam anders. Nun geht der RBB-Journalist in den Ruhestand.

„Vor 28 Jahren und knapp drei Monaten wurde die Mauer erbaut. Sie wurde zum Symbol der Teilung Deutschlands und des Kalten Krieges. Spätestens seit heute Abend ist dieses Bauwerk nur noch ein Baudenkmal“. Mit seinem Bericht vom Mauerfall am 9. November 1989 für die ARD-„Tagesthemen“ hat Robin Lautenbach – mit rotem Pullover, ein blaues SFB-Mikrofon in der Hand, im Hintergrund das von der Mauer halb verdeckte Brandenburger Tor – Fernsehgeschichte geschrieben. Am vergangenen Donnerstag hatte der 1952 in Pforzheim geborene Journalist seinen letzten Arbeitstag im ARD-Hauptstadtstudio, nun ist er TV-Pensionär.

Als Reporter des Sender Freies Berlin hatte Lautenbach Berichte für „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ aus dem Westteil der Stadt zugeliefert. Am Abend des 9. November war man in Hamburg zunächst noch davon ausgegangen, dass sich die Grenze erst am nächsten Morgen öffnet. Robin Lautenbach wurde losgeschickt, um die Stimmung an der Mauer einzufangen. Die Redaktion wollte wissen, mit welchen Gefühlen die West-Berliner dieses Ereignis erwarten. Doch es kam bekanntlich anders, weil Günter Schabowski in der legendären Pressekonferenz beim Blättern in seinen Unterlagen die für den 10. November vorbereitete Pressemeldung erwischt hatte, als er sagte, die Regelung gelte „sofort, unverzüglich“.

Aus der badischen Provinz zum Sammelsurium der K-Gruppen

Lautenbach kam in den 70er Jahren aus der badischen Provinz nach West-Berlin und studierte unter anderem Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut – „damals ein Sammelsurium der berüchtigten K-Gruppen, die sich gegenseitig den Kopf eingeschlagen haben“. Während er sich dafür interessierte, was um die geteilte Stadt herum in der DDR passierte, wurde am OSI darüber diskutiert, warum Chruschtschow ein Revisionist ist.

Bis heute wird Lautenbach auf seine „Tagesthemen“-Schalte vom Mauerfall angesprochen. Dabei war ihm das Reporterglück nur teilweise hold, denn an seinem Standort am Übergang in der Invalidenstraße strömten die DDR-Bürger erst nach Ende der Sendung über die Sektorengrenze. Ganz weit offen standen die Tore durch die Mauer, von denen „Tagesthemen“-Moderator Hanns Joachim Friedrichs sprach, zuerst an der Bornholmer Straße. Doch das spielt in der Rückschau keine Rolle mehr. „Wir waren als ARD und SFB der einzige deutsche TV-Sender, der live berichtet hat.“

Der Gedanke, dass man gerade von einem historischen Ereignis berichtet hat, kam erst ein halbes Jahr später. Am Abend des 9. November kämpfte Lautenbach und das SFB-Team mit ganz anderen Problemen. Bei der Schalte hatte er keinen Ton, konnte nicht hören, was Friedrichs im „Tagesthemen“-Studio sagte und wusste somit nicht, wann er anfangen sollte. „Ich habe seine magischen Worte und die Anmoderation nicht gehört.“

Zum Glück konnte er über einen Monitor im Übertragungswagen das Bild aus Hamburg neben dem Kontrollbildschirm sehen. Und als er auf beiden Monitoren gleichzeitig zu sehen war, begann er seinen Live-Bericht von der Berliner Mauer, die an diesem Abend ihre einstige Bedeutung verlor. Dabei war das Team erst wenige Minuten vor der Schalte überhaupt sendefähig. 1989 erfolgten Live-Übertragungen noch nicht überwiegend via Satellit, sondern über Richtfunkstrecken. „Und das dauerte“, wie sich Lautenbach erinnert.

„Richtig spannend für mich war die Zeit in der DDR und nachher in der Ex-DDR.“ Lautenbach arbeitete zu der Zeit als Mitglied des Ost-Berliner Studios der ARD. Während des Kalten Krieges war dies den Fernseh-Korrespondenten des SFB wegen des besonderen Status von West-Berlin nicht erlaubt gewesen, „nach dem Fall der Mauer war das egal“, so dass Lautenbach der erste West-Berliner TV-Korrespondent der ARD in der DDR wurde. „Da habe ich die DDR aus dem letzten Winkel kennengelernt“. Es sei mit das Spannendste gewesen zu sehen, was der Wechsel einer Gesellschaftsordnung mit dem Menschen macht und wie sie damit umgehen. „In dieser Zeit ist meine Bewunderung für die Ost-Deutschen sehr gewachsen“.

Doch auch die negativen Seiten der Wende zeigten sich schnell. „Mir ist der Satz eines jugendlichen Halb-Nazis in unserem Bericht ,Der braune Gürtel um Berlin‘ in Erinnerung geblieben, der sagte: ,Mein Opa war kein Kriegsverbrecher‘. Diese Diskussion gab es im Westen dreißig Jahre früher, mit bitteren Auseinandersetzungen in vielen Familien. Im Osten fand dies erst nach der Wende statt. Das erklärt vieles, bis heute.“

Die Nachwehen der Wiedervereinigung

In seiner letzten Reportage für das ARD-Hauptstadtstudio am vorvergangenen Wochenende berichtete Lautenbach von den AfD-Demonstrationen in Berlin. „Ich halte Pegida, aber auch die AfD für Nachwehen der Wiedervereinigung, weil es im Bewusstsein der Menschen viele Verletzungen gegeben hat, die sich über Generationen halten. Ein Großteil der Ostdeutschen ist mit den Umbrüchen klargekommen, ein kleiner Teil nicht.“ Lautenbach will nicht von Verständnis reden, aber er kann nachvollziehen, wenn gesagt wird: „Wir haben 1989 auch für die Freiheit demonstriert und das machen wir jetzt wieder.“

Die "Lügenpresse"-Rufe im Hintergrund seiner Reportage indes kann der Journalist nicht nachvollziehen. „Das ist eine Unverschämtheit“ – auch wenn er der Meinung ist, dass die Medien durchaus Fehler gemacht haben. Stichwort Besser-Wessi-Syndrom. „Vor allem am Anfang gab es den Eindruck, da kommen die aus dem Westen und putzen alles ab. Wir beim RBB sind jedoch stolz darauf, wie Ost und West zusammengeführt wurden, sowohl beim Programm wie den Personen.

Das Projekt Wiedervereinigung ist nach Lautenbachs Meinung geglückt. „Ich sage das auch deshalb, weil ich als ARD-Korrespondent von 2004 an fünf Jahre in Polen war, genau zum Beitritt zur EU. Viele Phänomene, die ich in den 1990er Jahren in der Bundesrepublik erlebt habe, sind mir dort wieder begegnet. Vom nicht vollständig vollzogenen Systemwechsel leben Kaczynski und seine Partei. Dort gab es den großen Bruder aus dem Westen nicht, der nicht nur mit Geld, sondern einem funktionierenden Verwaltungs- und Rechtssystem kam.“ Dabei habe sich Polen im Vergleich mit anderen postsozialistischen Ländern unglaublich reformiert und auch einen riesigen Aufschwung genommen, so Lautenbach.

Seit 2009 hat Robin Lautenbach für das ARD-Hauptstadtstudio gearbeitet. Ende Mai ging er in den Ruhestand.
Seit 2009 hat Robin Lautenbach für das ARD-Hauptstadtstudio gearbeitet. Ende Mai ging er in den Ruhestand.

© ARD-Hauptstadtstudio

Seine Arbeit wird ihm fehlen. Anders als andere Ex-Auslandskorrespondenten hat er jedoch keine konkreten Pläne für längere TV-Projekte, wie zu seiner Zeit als ARD-Korrespondent in Polen, als er für die damalige ARD-Reihe „Weltreisen“ die Reportage „Ein Winter in Schlesien“ erstellte. „Ich plane jetzt erst einmal einen klaren Schnitt“. Stattdessen kann er sich vorstellen, spontan mit einem polnischen Freund ein Literaturfestival in der West-Ukraine zu besuchen. Oder mit einem Freund Orangen und kaltgepresstes Olivenöl aus Griechenland nach Deutschland zu importieren. Oder sich einfach mehr um seine Familie kümmern. Lautenbach ist mit einer Amerikanerin verheiratet, zusammen haben sie fünf inzwischen erwachsene Kinder.

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