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Walter im Dschungelcamp.

© RTL

Dschungelcamp (9): Die Alphabetisierung des Dschungelcamps droht

Nach Känguruhoden, Spinnengelées und Spermadrinks haben die Produzenten endlich entdeckt, was bei RTL wirklich subversiv ist: Bildung. 

Erster Aufzug, Erste Szene, Aurelio, Patricia auf einer Holzbank

Aurelio: "Ich bin der Wolf, ich entscheide."

Patricia: "Was für'n Wolf, ey." 

Aurelio: "Klar Patricia, du wieder ‘was fürn Wolf’ und so. Hörste zu oder hörst nicht zu?"

Patricia: "Wenn jemand sagt ‘ich bin der Wolf’, sag ich ‘was fürn Wolf’"

Aurelio: "Ja weißte, Leitwolf halt, sag ich mal"

Patricia: "Jaja Leitwolf, ich leite mich selber"

Aurelio: "Dann leit' du mal"

Patricia ab

Aurelio: "Manche wollen Wölfe sein, mache sind halt Wölfe"

Halt, Stopp. Der Zuschauer versteht schon in der ersten Minute: Patricia kommt nicht klar, dass Aurelio der Leitwolf ist - sagt Aurelio. Beweisstück: Oberarme.

Zum Glück fliegt Patricia schon kurz später aus dem Camp. Die Zuschauer haben entschieden. "Woah krass", analysiert Sara; Walter schenkt zum Abschied etwas, was am treffendsten als Kaviarblume bezeichnet werden kann. Passend dazu gibt’s für Patricia nach ihrer Camp-Entlassung Sushi mit Mutti: Halbes Lachs-Nigiri im Mund, mit Schampus runterspülen, Blick in die Kamera: "Natürlich ist das im normalen Leben was schönes. Aber ich wäre schon lieber im Dschungel geblieben."

Tanja, die noch im Dschungel bleibt, findet sich da schon besser mit dem Leitwolf zurecht. "Ich mag wenn Frauen so die Marionetten sind und die Männer die Fäden ziehen." Der Mann sei Tarzan, die Frau Jane. Sie müsse gerettet werden "mit ihren großen braunen" – Zoom auf Tanjas Décolleté – "Kulleraugen". Es wird nicht das letzte Mal an diesem Abend sein, wo sich zeigt: Die geschmacklosesten Personen des Dschungelcamps sind die im Schnittraum.

Draufhalten wenn Walter weint und "Boys don’t Cry" im Ultra-Schnulz-Cover darunter legen. Schnitt! Walter mit Hipster-Dutt. Schnitt! Walter redet über seine Eltern: "Da gab’s ne Pulle Korn, ich lag im Bett und roch die Kotze aus der Küche in meinem Kinderzimmer." Schnitt! Walter in der Hängematte. Schnitt! "Meine Eltern sind tot; ich bin aber nicht in der Lage zu trauern." Schnitt! Kommentar der beiden Moderatoren, die ihre Witze mit "Weißte, knick knack" oder Kasperle-Hopsen abschließen müssen, damit man versteht, dass das jetzt humorig sein sollte.

Nahaufnahme von Marens Schritt beim umziehen: Zeit für die Dschungelprüfung. Die eignet sich für Crotch-Shots leider nicht: Maren und Benjamin werden auf ein Rad gespannt und müssen… Buchstabieren! "Ich habe Angst vor’m Buchstabieren", sagt Ex-Glücksrad-Buchstabenfee Maren. Sie könne es nicht. Und irgendwie wundert’s niemanden.

Buchstabieren! Und dann auch noch dieser Werbeeinblocker dieses einen Schoko-Kekses mit Verweis auf die PISA-Studie. Was ist da los bei RTL?

Nach Känguruhoden, Spinnengelées und Spermadrinks haben die Produzenten endlich entdeckt, was bei RTL wirklich subversiv ist: Bildung. 

Hier wird das Dschungelcamp dem Anspruch jenes Realismus gerecht, den niemand der Sendung je unterstellt hat: Durch Abbildung von vordergründig Banalem hintergründig Gesellschaftskritik äußern: Maren hat Angst vor Buchstabieren, weil sie es nicht kennt? Ist Maren am Ende Pegida und das Alphabet der Islam? Ist Maren für xenophobes Vermeidungsverhalten das, was Madame Bovary für verlogene Prüderie ist?

Nicht abzusehen, was sich da zusammenbraut. Durch solche Bildungsoffensiven erzieht sich das Dschungelcamp seine eigenen Teilnehmer weg. Deshalb protestiert hier ein Besorgter Privatsender-Zuschauer gegen die Alphabetisierung des Dschungelcamps! BePriZugAD!

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