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War mal ein Schloss, jetzt ist es das Humboldt Forum.

© Kitty Kleist-Heinrich

Doku über Humboldt Forum in Berlin: Turmbau zu Berlin

Was soll es sein: Das Humboldt Forum im Berliner Schloss? Eine Arte-Doku fasst die Diskussion zusammen.

Es steht in der Mitte Berlins. Und es ist mit 650 Millionen Euro eines der teuersten deutschen Kulturprojekte der Gegenwart. Über zwanzig Jahre hinweg begleiteten Dag Freyer und Friederike Schlumbom die Entstehungsgeschichte des Prestigeprojekts vom ersten Spatenstich an. Ihr Film verdeutlich eines: Das Humboldt Forum ist nicht nur ein Museum. Es ist auch zum Austragungsort einer hitzigen Debatte um kulturpolitische Deutungshoheiten geworden.

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Danach sah es zunächst nicht aus. Der Film erinnert an Wilhelm von Boddien, einen Landmaschinenhändler aus Hamburg. Über 100 Millionen Euro Spendengelder sammelte der Idealist für die Wiedererrichtung des 1950 von der DDR gesprengten Berliner Schlosses. Eine pfiffige Marketing-Idee machte den belächelten Plan populär. So baute man den künftigen Palast 1993 an Ort und Stelle schon mal auf – als gigantische Plakatwand. Diese potemkinsche Kulisse gab einen mächtigen Anstoß zur Realisierung des damals eher unschuldig anmutenden Projekts.

[„Das Humboldt Forum – Schloss mit zwei Gesichtern“, Arte, Sonntag, 16 Uhr 10]

Auch die Idee, die Sammlung des Berliner Ethnologischen Museums zu überführen in den 35 Meter hohen, 184 Meter langen und 117 Meter breiten Betonklotz, der mit einer barocken Fassade samt Kuppel, Löwen und Götterfiguren verziert wurde, erschien zunächst als gelungner städteplanerischer Schachzug.

Der Film zeichnet nach, inwiefern hochgerüstete Empfindlichkeiten des politisch korrekten Diskurses immer wieder Anstoß nahmen. Im Zentrum der Kritik stehen die historisierende Architektur des Humboldt Forums ebenso wie dessen Exponate. Kann man, so die Fragestellung der Dokumentation, „Ausstellungen mit teils kolonialen Sammlungs-Geschichten hinter der strahlenden Fassade einer rekonstruierten imperialen Herrscher-Residenz“ präsentieren?

Um die Problematik der Beutekunst zu veranschaulichen, begleitete die Kamera 2017 Kunstsachverständige in eine buddhistische Kulthöhle aus dem sechsten Jahrhundert. Sie befindet sich in der Turfan-Region im heutigen China. Waren jene deutschen Wissenschaftler, die von hier aus die berühmten Fresken der „ringtragenden Tauben“ zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts nach Berlin brachten, Kunsträuber?

Differenzierte Antworten

Der Film bewertet diese Frage differenziert. Einige der im Humboldt Forum ausgestellten Fresken hätten auch an ihrem ursprünglichen Ort überdauert. Der verwahrloste Zustand der in China verbliebenen Wandmalereien lässt jedoch erahnen, dass auch einige Kunstschätze vor ihrer Vernichtung bewahrt wurden.

Anders verhält es sich bei der oft erzählten Geschichte um den perlenbesetzten Thron Mandu Yenu. Im Jahr 1908 schenkte Sultan Njoya Ibra­him, damals König des Bamun-Volkes, diesen Schatz Kaiser Wilhelm II. Bei dieser Geste handelt es sich um eine erzwungene Gabe an den Kolonialherrn. Die Diskussion um eine Restitution dieses Exponat ist angebracht.

Koloniale Vergangenheit

Mit der Aufarbeitung dieser kolonialen Vergangenheit habe das Humboldt Forum „die Chance, eine wichtige gesellschaftliche Debatte führend mit zu gestalten“. Doch dabei stehe dem Museum „die Symbolwirkung des Schlosses im Weg“. Ende Mai 2020 wurde nämlich auf der Kuppel auch noch ein fünf Meter hohes Goldkreuz aufgesetzt.

Denkmalgerecht sei das schon. Allerdings würde dieses christliche Symbol „das Spannungsfeld zwischen der Außenwirkung des Schlossbaus und dem Anspruch des Humboldt Forums weiter verschärfen“. Eine „starke moderne Intervention gegen den imperialen Glanz“ dieses Bauwerks, so das Fazit, „hätte ein wichtiges städtebauliches Zeichen gesetzt.

Debatte zusammengefasst

Der Film fasst die Debatte um das Humboldt Forum übersichtlich zusammen. Die gedrechselten Off-Kommentare klingen aber zuweilen nach einer Seminararbeit. Bereits die Form der Dokumentation verdeutlicht, welche Problematik hier schlummert. Die kaum unüberblickbare Vielzahl der zu Wort kommen Architekten, Politiker, Kunsthistoriker, Designer, Kuratoren, Restauratoren und Sachverständigen lässt erahnen, dass das Humboldt Forum ein kultureller Turmbau zu Babel geworden ist.

Manfred Riepe

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