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Ende einer Mission? Heute liegt die „Iuventa“ beschlagnahmt in Italien fest.

© ZDF und Michele Cinque / Cesar D

Doku über Flüchtlingsschiff "Iuventa": Vom Schüler-Projekt zum Politikum

Als eine Gruppe Schüler vor zwei Jahren einen Fischkutter kauft, um Flüchtlinge im Mittelmeer zu retten, kommt ein Dokumentarfilmer spontan mit. Entstanden ist ein hochaktueller Film über das Flüchtlingsschiff „Iuventa“.

14.000 Bootsflüchtlinge rettete die „Iuventa“ aus dem Mittelmeer. Am 1. August 2017 war Schluss. Italienische Behörden beschlagnahmten das Schiff der deutschen NGO „Jugend rettet". Der Vorwurf: Die privaten Seenotretter würden mit libyschen Schleusern kooperieren. Eine 3sat-Koproduktion dokumentiert nun hautnah die Geschichte der Berliner Aktivisten, deren humanitäre Mission zum internationalen Politikum wurde.

Der italienische Dokumentarfilmer Michele Cinque erfuhr im Sommer 2016 von dem Projekt. Spontan und ohne Drehbuch begleitet er die Rettungsaktionen ein Jahr lang mit der Kamera. Entsprechend ungeschminkt erscheint der Film. Die Bilder sind manchmal verwackelt, der Ton matschig – doch diese Mängel spiegeln den improvisierten Charakter der Mission angemessen wider. Im Zeitraffer werden die Aktivisten vorgestellt. Berliner Abiturienten um die 20, die mit Spendengeldern einen alten Fischkutter zum Rettungsschiff umrüsten. Erfahrungen in Seefahrt? Hat kaum jemand.

Zu Beginn üben die Retter Wiederbelebung und das Anlegen von Schwimmwesten. Alles entspannt und in einem gewissen Partymodus. Mit der Sichtung der ersten Flüchtlinge schlägt die Stimmung um. Ein Schlauchboot, übervoll besetzt mit 120 Menschen, treibt etwa 20 Meilen vor der libyschen Küste dahin. „Hallo, Willkommen in Europa“, ruft ein Aktivist den Menschen zu. Die Retter müssen mit ihrem Beiboot noch einmal zum Mutterschiff zurück, um die Aktion zu koordinieren. Panik droht auszubrechen. Menschen springen ins Wasser.

Szene wie aus einem Science-Fiction-Film

Umso größer die Erleichterung, als die verzweifelten Migranten den Fuß an Bord der „Iuventa“ setzen. Der Film dokumentiert die herzliche Begrüßung, die medizinische Versorgung und Gespräche. Sind diese Menschen sich darüber bewusst, dass sie ohne Treibstoff noch etwa neun Zehntel der Strecke nach Italien hätten zurücklegen müssen? Diese Frage lässt der Film offen. Dann rückt die italienische Küstenwache mit weißen Seuchenschutzanzügen an, um die Geretteten an Land zu bringen. Eine Szene wie aus einem Science-Fiction-Film.

Im Winter 2016 werden die Rettungen witterungsbedingt ausgesetzt. Ein entsprechend anderes Bild zeigt der zweite Abschnitt des Films. Cinque folgt den Aktivisten nach Berlin, wo sie ihre Finanzen rekapitulieren und sich Fragen stellen lassen müssen: Animieren ihre Aktionen nicht Schlepper dazu, immer mehr Bootsflüchtlinge aufs Meer zu schicken? Die Aktivisten sehen hier „keinen Kausalzusammenhang“. Nach der Beschlagnahmung der „Iuventa“ und der zermürbenden Auseinandersetzung mit der italienischen Justiz liegen bald die Nerven blank. Spürbar wird, wie den Rettern das Projekt über den Kopf wächst.

Hymnische Feier der Aktivisten

Als Michele Cinque die Dreharbeiten im Herbst 2017 beendete, war noch nicht absehbar, wie dramatisch die Situation sich für NGO-Schiffe im Mittelmeer zuspitzen würde. Der Film endet mit einer hymnischen Feier der Aktivisten, verliert dadurch aber ein wenig die Distanz zu seinem Gegenstand. Auch das Schicksal der geretteten Bootsflüchtlinge, die sich offenbar mehrheitlich in italienischen Lagern befinden, wird nur gestreift. Auf kritische Stimmen verzichtet der Film weitgehend. Trotzdem gelingen ihm eindringliche Bilder. Dramatische Szenen auf hoher See erzeugen das beklemmende Gefühl, dem möglichen Tod auf Augenhöhe zu begegnen. „Iuventa – Ein Akt der Menschlichkeit“ ist ein relevantes Dokument über eine zivile Seenot-Rettungsmission und die mit ihr verbundenen Schwierigkeiten.
„Iuventa – Ein Akt der Menschlichkeit“, 3sat, Montag, 22 Uhr 25

Manfred Riepe

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