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Kati Witt 1989

© Katarina Witt

Doku über Eiskunstlauf-Star: Katarina Witt, der Sport und die Stasi

Eine TV-Dokumentation schildert die glanzvolle und umstrittene Karriere der Eiskunstlauf-Olympiasiegerin Katarina Witt.

Begegnen sich Katarina Witt und Egon Krenz. Sagt Krenz: „Ich hab dich immer verfolgt.“ Kurzes Stutzen. „Also, ich meine im Fernsehen.“ Kein Witz, sondern der Ausschnitt einer aktuellen, realen Begegnung. Filmautor Jobst Knigge zeigt die aussagekräftige Begrüßungsszene in seiner Dokumentation „Katarina Witt – Weltstar aus der DDR“. Witt reagiert auf die wohl eher unfreiwillig gesetzte Pointe des einstigen Honecker-Nachfolgers mit einem herzlichen Lachen. Man trifft sich in freundlicher Atmosphäre.

Natürlich war auch Katarina Witt von Staats wegen „verfolgt“ worden. Die mehr als 3000 Seiten umfassenden Stasi-Akten habe sie für diesen Film zum ersten Mal geöffnet, heißt es im Ankündigungstext der MDR/Arte-Produktion („Katarina Witt – Weltstar aus der DDR“, Arte, Mittwoch, 22 Uhr 15).

Das stimmt insofern, weil sie sich anfangs gegen eine teilweise Veröffentlichung durch die Birthler-Behörde gewehrt hatte. Nachdem Witt 2001 die Klage zurückgezogen hatte, zitierten Medien aus den 181 von der Behörde frei- gegebenen Seiten (wovon im Film nicht die Rede ist).

„Am Ende beweisen die Akten die einvernehmliche Zusammenarbeit der jungen Ausnahme-Sportlerin mit dem Spitzelapparat“, schrieb die „Welt am Sonntag“ im Mai 2002. „Es steht einem nicht zu, eine Biografie zu beurteilen, die unter ganz anderen Zwängen stand, die andere Entscheidungen erforderte, damit man seinen Weg gehen konnte“, wehrte sich Witt noch 2015 in einem „Zeit Magazin“-Interview gegen Kritik insbesondere aus westlicher Perspektive.

In Knigges Film gibt der „Weltstar aus der DDR“, wie es im Untertitel heißt, nun gewissermaßen ihre persönliche Auswahl aus den Stasi-Akten für die Öffentlichkeit frei. „Auf moralischem Gebiet gibt es in der gesamten Familie keine negativen Erscheinungen“, liest Witt vor. „Ist ja verrückt“, kommentiert die zweifache Eiskunstlauf-Olympiasiegerin, als würde sie die Stelle zum ersten Mal lesen. Damals war sie gerade mal sieben Jahre alt. „Und dann hat man sich schon mit meiner gesamten Familie beschäftigt“, sagt sie.

Im weiteren Verlauf gibt sie Stasi-Beobachtungen zu Auseinandersetzungen mit ihrer Trainerin Jutta Müller und Stasi-Notizen zu westlichen Millionen-Angeboten preis. Welche Rolle die Überwachung für sie oder ihre Familie konkret und persönlich spielte, darüber sagt sie wenig.

Ohne Überwachung gab es keine Förderung. Katarina Witt Jahrzehnte später beim Lesen ihrer Stasi-Akten.
Ohne Überwachung gab es keine Förderung. Katarina Witt Jahrzehnte später beim Lesen ihrer Stasi-Akten.

© Katarina Witt

Als Opfer scheint sich Katarina Witt jedenfalls nicht zu sehen. Warum auch: Während die DDR in den 1980er Jahren ihrem Untergang stetig näher kam, stieg das Mädchen aus dem heutigen Chemnitz zu einem international erfolgreichen Unterhaltungs-Star auf, der sich mit einer Vielzahl an Medaillen Handlungsspielraum und Wohlstand erarbeitete. Katarina Witt spricht von einem Deal, auf den man sich als junge Sportlerin in der DDR eingelassen habe, „halb wissend, halb naiv, halb nutzend“.

Das für den Sport zuständige Politbüro-Mitglied Egon Krenz – deshalb das freundliche Wiedersehen – unterstützte damals ihren Wunsch nach einem Profi-Vertrag bei einer Eislauf-Show. Der Deal sei aber gewesen, sagt Witt, dass sie 1988 in Calgary erst ihren zweiten Olympiasieg für die DDR holen müsse.

Witt lieferte. Die Olympia-Kür zur Musik von „Carmen“ machte sie endgültig nicht nur zum gesamtdeutschen Sport-Liebling, sondern tatsächlich zum Weltstar. Als die Mauer fiel, drehte „das schönste Gesicht des Sozialismus“ gerade in Sevilla den Kinofilm „Carmen on Ice“.

Und nachdem sie noch im Juli 1989 bei einer staatlich organisierten Reise nach Nordkorea dabei war, füllte sie in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung mit einer Eis-Show gemeinsam mit Olympiasieger Brian Boitano die US-Hallen. „Die Amerikaner waren komplett vorurteilsfrei“, sagt Witt und erinnert zugleich an den Hass, der ihr in Deutschland nach 1990 entgegenschlug. Namentlich erwähnt sie die „Bild“-Zeitung, bei der sie von „unserer Kati“ zur „SED-Ziege“ avancierte.

Knigge verzichtet auf neunmalkluge Kommentare aus dem Off, freilich auch auf allzu kritische Fragen. Witts eindrucksvolle Karriere lebt mit vielen Archivbildern und aktuellen Interviews auf. Neben Boitano kommen ihre ehemalige Choreografin Sandra Bezic und Gabriele Seyfert, die Tochter von Jutta Müller, die selbst zweifache Eiskunstlauf-Weltmeisterin war, zu Wort.

Boitano sagt, Witt habe ein „Teflon-Ego“. Das bedeute aber nicht, dass sie sich für etwas Besseres halte. „Sie kennt sich ganz genau. Sie kennt ihre Stärken – und nutzt sie“, erläutert Boitano. Unstrittig ist jedenfalls die Bemerkung von Tom Brokaw.

Der prominente, mittlerweile 80-jährige ehemalige Moderator der NBC-„Nightly News“ begab sich aus Anlass des 30. Jahrestags der Wiedervereinigung zu einem Interview mit Katarina Witt nach Deutschland. Witts Bedeutung reiche weit über den Sport hinaus, sagt Brokaw.

Das nennt man wohl einen kleinsten gemeinsamen Nenner.

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