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Redebedarf: Björn Höcke, AfD-Vorsitzender in Thüringen (re,) neben Andreas Kalbitz.

© dpa

Diskussion um AfD-Talks: MDR kündigt Höcke-Interview an

Der Rauch um das umstrittene Sommerinterview des RBB mit Andreas Kalbitz ist gerade verflogen. Nun will der MDR Björn Höcke interviewen.

Eines muss man dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) lassen: Er hat Mut. Oder er ist leichtsinnig. Der Sender plant für Dienstag ein MDR-Sommerinterview mit AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke, nur wenige Wochen, nachdem ein Sommerinterview mit Höckes Brandenburger Kollegen Andreas Kalbitz den RBB, gelinde gesagt, in Erklärungsnöte brachte. Der Hauptstadtsender schafft daraufhin jene Brandenburger Sommerinterviews ab.

Das beeindruckt den MDR offenbar nicht. "Auch in diesem Sommer führt Moderator Lars Sänger wieder Interviews mit den Thüringer Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitikern. Am 25. August (11 Uhr) steht ihm der AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke Rede und Antwort", so steht es auf der MDR-Website..

Das wirft Fragen auf. WDR-Mann und "Monitor"-Chef Georg Restle hatte bereits die RBB-Interviews kritisiert. "Der Grundsatz der Ausgewogenheit habe Grenzen", sagte Restle nun der "Zeit". Nämlich "da, wo es um Parteien oder Politiker geht, die unseren demokratischen Freiheiten und Grundrechten 'feindlich gegenüberstehen'".

Restle verweist auf die Programmgrundsätze seines WDR, in denen geregelt ist, dass dieser die "demokratischen Freiheiten" zu "verteidigen" habe. Für Höcke und Kalbitz als Flügel-Leute bedeute das, und das sei seine ganz persönliche Meinung: 'Sie haben keinerlei Anspruch darauf, sich im Rahmen eines Sommerinterviews präsentieren zu können.'"

Der MDR biete Herrn Höcke kein Podium

Der MDR biete Herrn Höcke kein Podium, heißt es hingegen auf Tagesspiegel-Nachfrage in Leipzig.

"Wie Sie sicherlich wissen, handelt es sich bei dem Gesprächsformat um ein Interview, nicht um einen lockeren Sommer-Plausch. Dabei werden Herrn Höcke redaktionell vorbereitete Fragen zu aktuellen Themen gestellt, wie den anderen eingeladenen Politikerinnen und Politikern auch."

Wichtig sei dem MDR, dass sich die Menschen mithilfe der Interviews ein Bild von wesentlichen Positionen der politischen Akteure machen können. Entsprechend werde zum Beispiel auch hartnäckig nachgefragt.

Der MDR überträgt das Höcke-Interview live auf mdr.de, Facebook und YouTube. Im linearen Fernsehen werden nur Teile des Interviews im "MDR Thüringen-Journal" ab 19 Uhr zu sehen sein, sagt ein MDR-Sprecher. 

Der Programmpunkt reißt alte Fragen auf. Der Umgang mit AfD-Politikern wird für öffentlich-rechtliche Medien gerade auch im Osten Deutschlands zunehmend kompliziert.

Sie vertritt in den Landtagen von Brandenburg, Sachsen oder Thüringen ein Viertel der Wähler. Es braucht keinen Rechenschieber, um sich vorzustellen, dass es auch unter den Zuschauern von RBB und MDR manche AfD-Wähler gibt. Kann man da ihre Vertreter ignorieren?

"Ob Sie irgendwann dazulernen? Ich kann Höcke auch schwer ertragen. Und es mag sein, dass es Leute gibt, die sich von ihm zu was auch immer inspirieren lassen. Deutschland ist eine Demokratie!! Wir bewegen uns auf dünnem Eis, wenn wir Wirrköpfe wie Höcke nicht ertragen können", heißt es im Netz in einem Tweed zu Georg Restles Beitrag.

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Die AfD habe ein Recht darauf, im Öffentlich-Rechtlichen aufzutauchen, wird Medienrechtsprofessor Hubertus Gersdorf von der Uni Leipzig in der "Zeit" zitiert. "Und je größer die Bedeutung einer Partei, desto mehr muss sie zu Wort kommen."

Anders als privatwirtschaftlich organisierte Medien müssten ARD und ZDF sich an Regeln halten, die der Rundfunkstaatsvertrag vorgibt. Darin steht, in Artikel 11 Absatz 2, die Pflicht zu Objektivität, Unparteilichkeit und Ausgewogenheit. Das heiße: Führe man Sommerinterviews mit allen Landtags-Fraktionschefs wie im Fall von RBB und MDR, dann könne man die Vertreter einer der stärksten Fraktionen nicht auslassen.

Allerdings dürften die Öffentlich-Rechtlichen kreativ sein. "Sie haben erheblichen Gestaltungsspielraum", sagt Gersdorf.

Aus redaktionellen Gründen könne etwa eine Sendung im Vorfeld einer Wahl auf die Spitzenrepräsentanten beschränkt werden („Elefantenrunde“), so Gersdorf auf Tagesspiegel-Nachfrage am Montag. "Unzulässig wäre jedoch einen ,Elefanten' nur deshalb nicht einzuladen, weil er politisch unliebsam ist."

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei nicht nur Faktor, sondern auch (vielleicht sogar: zuvörderst) Medium im Prozess öffentlicher Meinungsbildung: In seinen Programmen müssen sich die gesellschaftlich relevanten Meinungen wiederfinden. "Die Distanz zu den in den Sendungen vertretenen Meinungen, das heißt, die Meinungen unkommentiert stehen und wirken zu lassen, ist Ausdruck professionellen Journalismus."

Das will Peter Frey, ZDF-Chefredakteur, gar nicht in allen Enden ausloten. Er hatte schon im vorigen Jahr angekündigt, Höcke nicht mehr in Talkshows einladen zu wollen.

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