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Anschluss Österreichs. Agathe (Eliza Bennett) und Sigi (Johannes Nussbaum) geraten in Salzburg in eine Kundgebung gegen angeblich jüdisch unterwanderten Festspiele.

© ZDF und Jan Betke

"Die Trapp-Famiie" reloaded: Nazis in der Trachtenwelt

Räubervisage wie im Kasperletheater: Wie das ZDF mit einem Remake der legendären „Trapp-Familie“ scheitert.

Und wenn man glaubt, es könne nicht mehr schlimmer werden, wenn sich das Licht am Ende des Tunnels als heranrasender Schnellzug erweist und mit jeder geschlossenen Tür ein Fenster zugeht, wenn also auch der letzte Hoffnungsschimmer im Angesicht wachsender Entmutigung zu verglühen droht – dann schaltet man Sonntagnachmittag unvermittelt ins Zweite Deutsche Fernsehen und spürt wie bei „Rosamunde Pilcher“ am Abend drauf vom allerersten Moment an: Doch, es kann immer und immer noch viel, viel schlimmer werden, schlimmer sogar als vor 63 Jahren.

Damals sedierte ein Heimatfilm die schuldmüde Nachkriegsgesellschaft, dessen Charaktere sich wie so viele Menschen im Land der Täter als Opfer fühlten: „Die Trapp-Familie“. Im heiteren Melodram von Wolfgang Liebeneiner freite Goebbels gottbegnadeter Leibschauspieler Hans Holt die Nonne Maria (Ruth Leuwerik), bevor sie samt Kinderschar vor Nazis (und Verarmung) nach Amerika flohen, um dort als Chor Erfolge zu feiern.

Der Stoff war so filmreif, dass Hollywood daraus 1965 ein Musical mit Julie Andrews machte. Doch während „The Sound of Music“ tiefer auf den Nationalsozialismus einging, war die deutsche Version unpolitischer Eskapismus – und damit zeitgemäß.

Womit wir beim Remake vom Remake wären. Was das ZDF zum Sonntags-Kaffee in deutsche Wohnstuben sendet [„Die Trapp-Familie“, Sonntag, ZDF, 15 Uhr], stellt die fröhliche Geschichtsvergessenheit der jungen Bundesrepublik in den Schatten. Gleich zu Beginn der „Trapp-Familie“ 2.0 fliegt die Kamera über sonnendurchflutete, alpinaweiße Winterberge von heute in ein weihnachtlich geschmücktes Haus, wo artige Kinder zu billiger Überwältigungsmusik Kekse backen und mindestens 15 Generationen drum herum beieinander sind, um das Fest der Liebe zu feiern. So, wie amerikanische Feelgood-Movies halt tausendfach beginnen.

Dieses hier ist ein deutsch-österreichischer Fühlgutfilm, in dem die Sache mit den Nazis, nun ja, am Ende offenbar doch nicht schlimm genug war, um sich davon das unablässig gleißende Sonnenlicht trüben zu lassen.

Dramaturgisch debil, optisch überreizt

Frei nach ihrer eigenen Autobiografie erzählt die alte Agathe von Trapp (Rosemary Harris) ihrer ausgerissenen Enkelin (Laurin Canny) das Leben der jungen Agathe von Trapp (Eliza Bennett) als Teil einer Zwischenkriegsidylle, in der ihr Vater (Matthew Macfadyen) trotz seiner Offizierslaufbahn bis an den Rand des Erziehungsratgebers verständnisvoll ist und nach dem Tod seiner Frau das süße Kindermädchen (Yvonne Catterfeld) für sich gewinnt.

Schon diese zwei Zeitebenen inszeniert der Kinderfilmemacher Ben Verbong („Das Sams“) mit so strahlendblau himmelschreiender Saftigkeit, dass man ihn zur Strafe 1000 Jahre mit Hans Holts Gesamtwerk in eine verschneite Berghütte sperren müsste.

Als dann der Nationalsozialismus in die heile Trachtenwelt dieser K.u.K-Sippe sickert, strahlt die Sonne genauso hell wie in jeder anderen Szene durch alle Fenster. Immerhin aber beleuchtet sie auch ein paar echte Nazis, mit denen das Leben aufrechter Philanthropen wie derer von Trapp langsam ungemütlich wird. Irgendwie.

Den fiesesten davon gibt deren rechtsgewendeter Chauffeur (Cornelius Obonya) allerdings mit einer Räubervisage wie im Kasperletheater, deren plakativer Fanatismus nur vom sozialistischen Feuer übertroffen wird, mit dem Johannes Nussbaum Agathes Jugendfreund Sigi versieht.

Einmal, als beide über den drohenden Anschluss Österreichs streiten, scheint es kurz, als könnte „Die Trapp-Familie“ von der Schnulze ins seriöse Historytainment kippen. Bis zur Emigration der singenden Sippe am Schluss jedoch, bleiben selbst angedeutete Untaten der Nazis braune Sprengsel auf dem Deckmantel der Geschichte, die Verbongs Team mit dem Fleckenmittel der Arglosigkeit entfernt.

Was lernen wir also aus diesem dramaturgisch debilen, optisch überreizten, inhaltlich verantwortungslosen Machwerk? Aus historischer Sicht Nullkommanichts.

Aus soziokultureller hingegen einiges. Zum Beispiel, dass selbst international besetztes TV-Kino alle lästigen Schuldfragen auf die handelsübliche Handvoll faschistischer Knallchargen reduziert, sofern damit ein Massenpublikum erreicht werden soll. Was dann eine Rosemary Harris genau 40 Jahre nach ihrer Hauptrolle in „Holocaust“ hier verloren hat, bleibt das große Geheimnis dieses britischen Theaterstars.

Umso mehr fragt sich, warum das ZDF diesen Film nicht in der Primetime zeigt? Ästhetisch hätte er schließlich gut zwischen Pilcher, Fjorde, Traumschiff gepasst. Obwohl – selbst der versprengte Nazi unter den Trapps wäre dort wohl einer zu viel.

Jan Freitag

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