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Ein Mitarbeiter der "taz" soll mittels Keylogger sogar Passwörter seiner Kollegen ausgespäht haben.

© dpa

Die "taz" stellt Strafanzeige: Mein Kollege, der Spion

Die "taz" erstattet Anzeige gegen einen Mitarbeiter, der angeblich monatelang seine Kollegen ausspioniert hat. Das eigentliche "tazgate" ist aber der Vertrauensverlust.

Das „tazgate“, das gerade als Begriff durch die sozialen Medien und die Berichterstattung schwirrt, trifft in den Ohren von Ines Pohl und Andreas Rüttenauer nicht den richtigen Ton. Ein „Gate“, bekanntermaßen ein Anglizismus für eine Affäre epischen Ausmaßes – nur echt seit Richard Nixon, established 1972 – klingt nämlich zunächst einmal nach „selbst verschuldet“. Was das „tazgate“ aber nicht ist. In einem Artikel „in eigener Sache“ in der Dienstagsausgabe widersprechen die „taz“-Chefredakteure dieser Zuspitzung: „Tatsächlich haben wir es mit einer Spionageaffäre zu tun“.
Ein Redakteur der linksorientierten Tageszeitung hat offenbar über Monate hinweg seine eigenen Kollegen ausgespäht – mithilfe eines so genannten Keyloggers. Vergangene Woche wurde er dabei beobachtet, wie er das Spionage-Tool, dessen Aussehen einem gängigen USB-Stick ähnelt, heimlich von einem Redaktionscomputer abziehen wollte. Als man ihn daraufhin zur Rede stellte, behauptete er, er habe lediglich einen besagten „USB-Stick“ an sich nehmen wollen. Danach äußerte er sich nicht mehr zu den Vorwürfen. Er wurde suspendiert und bekam Hausverbot. In der Nacht darauf wurde prompt bei der „taz“ eingebrochen, wobei unklar ist, wie weit der oder die Täter wirklich kamen. Über diese Vorgänge informierte die Tageszeitung danach auch die Polizei – ein sonst nicht wirklich gern gelittener Gast in „taz“-Gefielden.

Die EDV-Abteilung der „taz“ hat mittlerweile herausgefunden, dass mit dem Keylogger nicht nur die Passwörter und PC-Aktivitäten von Ressortleitern und Redakteuren ausspioniert wurden, sondern sogar Praktikantinnen von der Spitzelei betroffen waren. Mindestens 16 Einzelaccounts wurden ausgespäht. Warum der Keylogger über ein Jahr lang niemanden auffiel – seine Software stammt aus dem Jahr 2012; er wurde mindestens seit Anfang 2014 zum Ausspionieren von „taz“-Computern benutzt – stellt die Tech-Szene allerdings vor Rätsel. Sogar wenn der Keylogger als „fremder“ USB-Stick an verschiedenen PCs durchgegangen ist: Fragt man nicht eigentlich auch unter Kollegen kurz nach, wem der Stick am Rechner gehört?

Zum Gespräch am Montag erschien der Beschuldigte nicht

Die Chefredaktion hatte den beschuldigten Mitarbeiter am vergangenen Montag zu einem Gespräch gebeten, bei dem er sich nochmals zu den Vorwürfen erklären sollte. Er erschien nicht. Warum, ist bisher nicht bekannt. Sechs Tage nach dem Bekanntwerden der „Spionageaffäre“ leitete die „taz“ schließlich juristische Schritte gegen den mutmaßlichen Spitzel ein: Es wurde Anzeige erstattet. Anschließend äußerte sich die Zeitung erstmals selbst zu den Vorkommnissen, über die zuvor bereits viele andere Medien berichtet hatten: Man habe sich aus „arbeitsrechtlichen und juristischen Gründen“ zunächst mit einer „Bewertung des Vorgefallenen zurückgehalten“. Zudem habe man Einzelheiten erst intern klären wollen. Unter anderem seien die von der Spionage betroffenen Mitarbeiter persönlich informiert worden.

Das eigentliche „Gate“ der „taz“, wenn man es so nennen will, sind vielleicht nicht einmal die ausspionierten Daten, deren Relevanz und journalistische Bedeutung noch unklar ist. Das eigentliche „Gate“ ist das angeknackste Vertrauen; intern ebenso wie extern. Es ist schlecht, wenn Informanten Medien und ihren Mitarbeitern misstrauen, aus Angst, ihre Daten seien nicht sicher. Es ist noch schlechter, wenn nun schon Kollegen ihren Kollegen misstrauen (müssen?) und beim Anblick eines USB-Sticks zu Schweißausbrüchen neigen. Das Vertrauen der Leser, Informanten, Interviewpartner – und Redakteure! – in die „taz“ wiederherzustellen hat laut Pohl und Rüttenauer deshalb derzeit oberste Priorität: „Der Schock bei uns allen sitzt tief“.

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