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"Fett und Fett". Jaksch (Jakob Schreier) ist vom Familienleben mit Kleinkindern seiner Freunde nicht gerade begeistert.

© ZDF und Johannes Brugger

Die Endzwanziger in der Fernsehserie: Irgendwie schon

"Fett und Fett" bei ZDFNeo, "Damaged Goods" bei Amazon Prime Video: Zwei Serien über Millenials für Millenials

Ein Rezensent soll ehrlich zu seinen Leserinnen und Lesern sein. Also muss da hingeschrieben werden: Bei „Fett und Fett“ passiert in der zweiten Staffel so viel wie in der ersten – fast gar nichts. Aber diese „Fast-Leere“ hat etwas Symptomatisches.

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Bei Jaksch (Jacob Schreier) läuft es jetzt richtig. Er hat einen Job am Theater und er hat eine neue Freundin, Amara (Samira El Ouassil) heißt sie und verheiratet ist sie. Ihren Mann Georg (Philipp Mühlbauer) lernt Jaksch bei einer Performance kennen und der Georg hat gar nichts gegen den Jaksch. Der kommt aus dem Staunen nicht heraus, fällt von einer Situation in die andere, kommt irgendwie immer durch, alle mögen ihn, aber es wird ihm zu fett: Freundin, Auftrag für ein Stück, um den besten Freund soll er sich kümmern.
Jaksch, dieser gute Mensch, will allen helfen, allen ein guter Freund sein, das Neinsagen fällt ihm schwer, zugleich muss er erkennen, dass Jasagen auch keine Lösung ist. Jaksch fällt durchs Leben.
„Fett und Fett“, das Neo-Original für die späten Zwanziger, die zu den Thirtysomethings rüberlappen, fabuliert sich über sechs Folgen. Menschen treffen sich, Menschen verlieben und verlieren sich, vieles ist ernst und doch nicht zu ernst. Jakob Schreier, der auch die Hauptrolle spielt, hat zusammen mit Chiara Grabmayr, die wiederum Regie führt, und Mercedes Lauenstein die Bücher geschrieben.

[„Fett und Fett“, ZDF-Mediathek, „Damaged Goods“, Amazon Prime Video]

Die Comedyserie über das Treibenlassen und Getriebenwerden junger Großstädter hat ordentlich Tempo und ist inszeniert wie ein Karussell. Menschen springen auf und sie springen ab, eine Kernbesatzung führt jede Runde mit. „Irgendwie schon“ heißt eine Folge. Und eine bessere Beschreibung fürs Hier im Jetzt und das Jetzt im Hier lässt sich nicht finden. Sucht Jaksch nach dem Sinn seines Lebens? Nein. Aber er findet immer wieder irgendwas, was nach seinem Leben aussieht. Voll urban, voll krass, voll geil.

"Damaged Goods". Antonije Stankovic (l-r), Tim Oliver Schultz, Zeynep Bozbay, Sophie Passmann und Leonie Brill schlagen sich als Fünferbande durchs Leben in München.
"Damaged Goods". Antonije Stankovic (l-r), Tim Oliver Schultz, Zeynep Bozbay, Sophie Passmann und Leonie Brill schlagen sich als Fünferbande durchs Leben in München.

© dpa

Quasi um die Ecke und damit wieder in München, spielt „Damaged Goods“. Acht Folgen lang bilden Nola (Sophie Passmann), Mads (Oliver Schultz), Hennie (Leonie Brill), Tia (Zeynep Bozbay) und Hugo (Antonije Stankovic) eine Clique Vor 15 Jahren wurden sie von ihren Eltern zu einer Gruppenpsychotherapie geschickt, mit Ende 20 meistern sie ihren Alltag noch immer gemeinsam. Die Gruppensitzung findet jetzt in Nolas Küche statt.
Während bei „Fett und Fett“ die Sinn- und Suchfrage allein auf die Schultern von Jaksch geladen wird, wird sie bei „Damaged Goods“ auf eine Fünferrunde verteilt.
Psychologiestudentin Nola fliegt von der Uni, mischt zum Geldverdienen Farben im Baumarkt und schreibt über sich und ihre Freunde (ohne deren Wissen) den Podcast „die küchenpsycholgin“. Hennie ist eine leicht spießige Businessfrau, Tia will sich von ihrer Hippie-Großmutter abgrenzen und sucht nach ihrer Identität als Künstlerin. Hugo kämpft um die Liebe und um ein authentisches Leben als homosexueller Mann. Und Mads ist ein Ex-Jurastudent und „Fuckboy“. Fehlt da was, fehlt da einer?

Schnell und grell

Was Headautor Jonas Bock aufgeschrieben und Anna-Katharina inszeniert hat, zieht sehr schnell am Zuschauer vorbei. Eine stringente Handlung lässt sich nur schwer ausmachen, es geht von A nach B nach C – die Aufarbeitung folgt als Schmerzensgemeinschaft am Küchentisch. Jeder hat seine Macke(n), aber hey, wir sind okay, meine Freunde sind meine Familie. Gut, das Studium ist geschmissen, Tia „verhurt“ Steward Hugo an einen Großgaleristen, Mads hat Bindungsprobleme, Nola sucht und findet die lesbische Liebe nicht, Hennie pflegt eine überlange Langzeitbeziehung. Trara und Trouble bei Millennials in der Bubble. „Damaged“? Im Rahmen der Großstadt mit Goldkante. Ist das noch Insta- oder schon Tiktok-Style? Auf jeden Fall werden alle Probleme und Problemchen, die diese Generation plagen, auf einen Serienhaufen geworfen. Hat man/frau das nicht schon bei „Friends“, „Girls“ oder „Sex and the City“ gehört und gesehen? Haben sie, diese Version ist diverser und entschieden hipper. Die Witzmaschine läuft auf Hochtouren, ein bisschen agieren alle so, als würden sie ständig auf Applaus warten. Wobei: Passmann spielt Passmann, Zeynep Bozbay begreift ihre Tia als eine Rolle, der Rest müht sich redlich (gut).

Neue Staffeln erwartbar

Nimmt man „Fett und Fett“ mit „Damaged Goods“ zusammen, offeriert sich ein erstaunliches Generationenbild: Wir haben verdammt viele Schwächen, wir kriegen weniger als gewollt auf die Kette, wir kämpfen mit dem Leben, wie das Leben mit uns kämpft. Aber wir haben uns. Kann auch nerven, aber dieses Finale nach Streit ist beispielhaft: „Liebe?“, fragt Nola Freundin Hennie nach einem Streit. „Liebe!“, antwortet die. Das kann ewig und in neuen Staffeln weitergehen.

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