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Leben mit dem Atom. Zahlreiche Zeitzeugen sprechen in der Dokumentation über ihre Erlebnisse. Manche von ihnen arbeiteten in Kernkraftwerken, in Forschungszentren, im Uran-Bergbau oder beim Militär und waren zum Stillschweigen verpflichtet. Andere wiederum engagierten sich in Bürgerinitiativen für Abrüstung oder Umweltschutz und erfuhen staatliche Repression.

© ZDF und Kristof Kannegießer

Die DDR und das Atom: Sozialismus, radioaktiv

Uranabbau, Energie, Raketen: Eine Dokumentation bei ZDFinfo über die geheimen Atompläne der DDR.

Kein Geheimnis ist, dass auch die DDR auf Atomkraft setzte. Im Dezember 1957 ging der Forschungsreaktor in Dresden-Rossendorf in Betrieb, die BRD war mit dem Reaktor in München-Garching nur wenige Wochen schneller. Etwa 20 Kernkraftwerke sowjetischer Bauart sollten es in der DDR werden, gebaut wurden nur zwei. Das dritte und größte in Stendal wurde niemals fertig. Außerdem wurde Uran abgebaut, das die sowjetischen Genossen für ihr Atombombenprogramm benötigten. Und das gewissermaßen in Form von Sprengköpfen wieder zurück ins Land kam.

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In der Dokumentation „Die sieben geheimen Atompläne der DDR“, die bei ZDFinfo in einen umfangreichen Themenabend zum Atomzeitalter eingebettet ist, kommt unter anderen auch Kurt Schmidt zu Wort, ein ehemaliger Offizier bei den Raketentruppen. „Gebt's Gott, dass wir nie mal richtig auf den Knopf drücken müssen“, habe er schon damals „hin und wieder zu dem einen oder anderen“ gesagt. Zwar hatte die Rote Armee die Befehlsgewalt über die Sprengköpfe, aber weil Schmidt diejenigen qualifizierte, die am Ende den Start der Atomraketen ausgelöst hätten, fühlte er sich mitverantwortlich – und ist heute spürbar erleichtert.

[ „Die sieben geheimen Atompläne der DDR“, bei ZDFinfo an diesem Montag um 20 Uhr 15

Die gerne als „magisch“ bezeichnete Zahl sieben hat es Filmautor Matthias Hoferichter angetan: Nach „Die sieben Geheimnisse der NVA“ (2018) nun also sieben geheime Atompläne. Das darf man aber nicht allzu wörtlich nehmen. Hoferichter hat seinen Film zwar passend und übersichtlich in sieben Kapitel unterteilt, aber die handeln auch von der Friedensbewegung („Schwerter zu Pflugscharen“), vom Vertuschen der Reaktorkatastrophe in der Ukraine von 1986 („Tschernobyl und das große Schweigen“) und – mal was Positives – von der „Spitzenforschung im Osten“. Denn in Rossendorf wurde zum Beispiel zu den Grundlagen der Kernfusion geforscht.

Gleichzeitig würde der Zuschauer etwas zum geheimen Bunkersystem im Osten Deutschlands erwarten. Die „geheimen Pläne“ erweisen sich als ziemlich dehnbarer Begriff und die Zahl sieben als eher ungefähre Angabe. Vielleicht war es doch keine gute Idee, die Atomgeschichte der DDR listenförmig abzuarbeiten.

Mix aus Altem und Neuem

Immerhin hat Hoferichters Film einen abwechslungsreichen Mix aus Altem und Neuem zu bieten. Die Archivbilder, Wochenschauen und Fernsehausschnitte ergänzt der Autor an jedem Schauplatz mit Zeitzeugen-Interviews. Zu Wort kommen Bergleute, Arbeiter, Ingenieure, Staatsdiener und Umweltschützer, der evangelische Pfarrer Harald Bretschneider, der den „Schwerter zu Pflugscharen“-Aufnäher erfand, der oppositionelle Physiker Sebastian Pflugbeil, der 1990 vom Neuen Forum als Minister in die Regierung geschickt wurde, und Klaus Töpfer, der erste gesamtdeutsche Umweltminister. Unter all den Atom-Männern sind auch zwei Frauen zu finden: Gabriele Thürnagel, Chefsekretärin im Kernkraftwerk Stendal, sowie Marlies Philipp, Werkstoffprüferin im Kernkraftwerk Lubmin.

Beinahe-Gau

Dort, in der Nähe von Greifswald, war es im Dezember 1975 wohl zum schwersten atomaren Zwischenfall in der DDR gekommen. Als ein Elektriker seinem Lehrling eine Schalthandlung vorführen wollte, löste er mangels Spezialwerkzeug einen Kurzschluss aus, so die Darstellung im Film. Die Staatssicherheit habe später als eine weitere Ursache herausgefunden, ergänzt Historiker Sebastian Stude, dass in der Sicherheitstechnik eine Diode schlicht falsch herum verbaut worden sei.

Der Kurzschluss konnte deshalb einen Kabelbrand auslösen, und „nur mit allergrößter Mühe“ (Hoferichter) sei noch die Schnellabschaltung des Atomreaktors gelungen. Die Sowjetunion meldete den „Beinahe-GAU“ ordnungsgemäß an die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO), die ihn als „ernsten Störfall“ einstufte, auf Stufe drei von sieben. Die DDR-Bevölkerung erfuhr davon natürlich nichts.

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