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Im Visier. Götz Kubitschek

© Falko Korth

„Die alte neue Rechte“  : Wer ist das Volk?

Heimat, Tradition, Volk, Nation: Eine Arte-Dokumentation erhellt die Kontinuität zwischen der neuen und der alten Rechten.

Konservativ und rechts zu sein, das sei bis zur Jahrtausendwende eine politische Haltung gewesen, die „zum Grundkonsens der demokratischen Gesellschaft gehörte“. Inzwischen hätten sich die politischen Koordinaten verschoben. Wer sich heute „demonstrativ rechts verortet“, der stelle „die Werte einer offenen und liberalen Gesellschaft in Frage“. Diese These stellt Falko Korth, bekannt durch seinen Film über „Udo Lindenberg und die DDR“, seinem Film voran („Die alte neue Rechte“, Arte-Mediathek). Seine Dokumentation sucht nach historischen Einflüssen der vermeintlich neuen Rechten, die mit Neonazis in Springerstiefeln nichts mehr zu tun haben wollen. Doch sie haben sich nicht neu erfunden. Ihre Wurzeln reichen teilweise zurück bis in die Weimarer Republik.

In den Fokus des Films gerät daher nicht nur der national-konservative Verleger Götz Kubitschek. Der Blick richtet sich vor allem auf dessen innige Beziehung zu einem gewissen Armin Mohler, ein Autor der 50er und 60er Jahre, den in der breiten Öffentlichkeit heute eigentlich kaum noch jemand als politischen Ideengeber auf dem Schirm hat.

Der 2003 verstorbene Schweizer Publizist, der sich 1942 nach einem illegalen Grenzübertritt der Waffen-SS anschloss, gilt jedoch als intellektueller Ziehvater hinter einem Netzwerk, das von Pediga über die AfD bis hin zu den Querdenkern reicht. „Die konservative Revolution“, so der Titel von Mohlers 1950 in Buchform erschienener Dissertation, stiftete ein Narrativ, um ein rechts außen angesiedeltes Denken politisch salonfähig erscheinen zu lassen.

Die Deutschen stünden unter einem „Hitlerkomplex“

Der Trick: Mohler versuchte die Verbrechen des Nationalsozialismus und völkisch-nationales Gedankengut akribisch auseinander zu dividieren. So schuf der umtriebige Publizist den Mythos einer nicht-nationalsozialistischen Rechten.

Im Austausch mit dem französischen Philosophen Alain den Benoist popularisierte er unter anderem den Begriff des „Ethnopluralismus“. Diese Denkfigur nimmt Abschied von der Suprematie einer Herrenrasse.

Alle Völker sind nun gleich. Sie mögen sich nur bitte nicht vermischen. Nicht zufällig knüpft die Identitäre Bewegung an diese Gedanken an.

Trotz seiner vielfältigen publizistischen Aktivitäten blieb Mohler stets ein Strippenzieher im Hintergrund. Mit seinem Konzept der „Metapolitik“ schwebte ihm eine Art Kulturrevolution von rechts vor. Er arbeitete zeitweise als Redenschreiber für Franz Josef Strauß. Und er gilt als politischer Souffleur von Franz Schönhuber, dem früheren Vorsitzenden der rechtskonservativen Partei „Die Republikaner“.

Die Strategien der neuen Rechten werden gegenwärtig häufig diskutiert. Daher ist es wohl kein Zufall, dass es zwischen Falko Korths Dokumentation und Nadia Köllings Beitrag „Wer ist das Volk? Die neue Gefahr von rechts“, der kürzlich auf ZDFinfo ausgestrahlt wurde, signifikante Überschneidungen gibt.

Zuweilen etwas manieriert erscheint auch Korths Formwille. Ist etwa die Rede davon, dass die neue Rechte eine Vergangenheit wieder errichten wolle, die es nie gegeben habe, so sehen wir dazu eine pittoreske Landschaft im morgendlichen Nebel.

Sehenswert ist Korths historischer Abriss aber dennoch. Archivaufnahmen führen präzise vor Augen, wie Armin Mohler tickt. Die Deutschen, so der rechte Vordenker in einem Fernsehauftritt von 1967, stünden unter einem „Hitlerkomplex“. Alles sei auf Hitler bezogen. Man könne gar nicht mehr spontan handeln. Man frage sich stets: „Was hat Hitler gemacht? Wenn ich das Gegenteil mache, dann mache ich das Richtige“.

Neben dem AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland kommt Erik Lehnert zu Wort, Geschäftsführer des neurechten Instituts für Staatspolitik. Die Dokumentation lotet so die Grenzziehungen zwischen bürgerlichem Konservatismus hin zum Rechtsextremismus neu aus.

Dabei stützt der Film sich auf den Historiker Volker Weiß, der ausführlich zu Wort kommt. Kommentiert und eingeordnet wird der Streifzug durch die jüngere deutsch-französische Geschichte von dem Kulturtheoretiker Klaus Theweleit. Das Schlusswort hat der Soziologe Claus Leggewie. Man führe den Kampf gegen rechts, weil man „ein besseres, ein klügeres und ein vernünftigeres Programm für die Welt von morgen“ habe.

Manfred Riepe

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