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Perspektivwechsel. Constantin Schreiber neben Schülern vom Torgauer Johann-Walter-Gymnasium und n-tv-Moderatorin Romy Arndt, die aus Sachsen kommt.

© privat

Deutsche Toleranzstiftung: Fakt oder Fake?

„Sprecht bloß nicht mit denen!“: Wie Constantin Schreiber mit einer Stiftung und einem Schüler-Projekt in Sachsen gegen „Lügenpresse“-Vorwürfe angeht.

„Zapp“, „Nachtmagazin“, „Tagesschau“, diverse Moderationen, Promotion für sein aktuelles Buch „Kinder des Koran“, eine Stiftung gründen und am Leben halten – manchmal glaubt man, es müsste mehrere Constantin Schreibers geben. Aber vielleicht hat sich der Journalist und Autor einfach nur mit Leib und Seele seiner Profession verschrieben.

Einem Job zurzeit besonders: der Deutschen Toleranzstiftung, insbesondere dem Projekt „Triff mich!“, das er im August 2019 in Sachsen ins Leben gerufen hat. Ziel ist es, mittels Diskussion mit Medienmachern und gemeinsamen Videoproduktionen das Vertrauen in die Arbeit von Journalisten stärken und dabei dort ansetzen, wo junge Menschen am zuverlässigsten erreicht werden können: an Schulen.

Es geht um einen Perspektivwechsel. Schüler sollen praktisch erleben, wie es ist, quasi als Journalist, ein Thema unter verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Nach einem halben Jahr zieht Schreiber eine erste positive Bilanz, auch wenn sich das mit dem Abbau von Vorbehalten, Stichwort „Lügenpresse“, vor Ort weiter schwierig gestaltet.

„Manchmal bekommen wir die Medienskepsis, die Anlass des Projekts war, auch zu spüren. In einer Diskussionsrunde waren einige Schüler sehr verschlossen, stellten keine Fragen und ließen sich auch gar nicht auf ein Gespräch ein.“ Später sei herausgekommen, dass Eltern ihren Kindern zu Hause gesagt hatten: „Das sind Lügenjournalisten, sprecht bloß nicht mit denen!“

Vorbehalte, die auch Tobias Wolf, Redakteur der „Sächsischen Zeitung“, kennt – aus seiner täglichen Arbeit zum Thema Rechtspopulismus. Es könnten für Wolf nicht genug Journalisten in Schulen gehen. Lesetage, Medientage oder Kooperationen mit regionalen Medien seien da eine wichtige Ergänzung.

„Ich halte es jedoch für notwendig, den Menschen auf ihrer Ebene mit ihrem wohlverstandenen regionalen Hintergrund zu begegnen und regionale Protagonisten einzubinden, weil von außen eingetragene Ideen, Hinweise und Aktionen inzwischen oft zu Misstrauen führen.“

Eva Hermans Rausschmiss bei Kerner

Weiter viel Arbeit also für Schreiber und seine Stiftung für interkulturellen und interreligiösen Dialog mit Sitz in Leipzig. Rund 200 Schüler im ländlichen Sachsen sind bislang involviert. Unterstützt werden sie von Medienpaten, erfahrenen Journalisten wie ZDF-Moderatorin Aline Abboud, die die Schüler in Diskussionsrunden kritisch befragen können.

Das Thema Medienkompetenz an sich sei ja an Schulen bereits präsent, sagt Constantin Schreiber. Auch in den östlichen Bundesländern. Dabei gehe es aber in erster Linie um die technische Komponente, also weniger um die Fragen, wie journalistische Arbeit aussieht oder wie die Schüler inhaltlich mit journalistischen Angeboten umgehen.

„Ich habe durch die Resonanz in den vergangenen Monaten festgestellt, dass wir mit unserem praktischen Ansatz da eine echte Nische besetzen. Wir führen das Projekt fort und stellen es künftig noch breiter auf. Inhalte und Konzepte werden pädagogisch entworfen und begleitet von Experten der Universitäten in Dresden, Leipzig und Halle.“

Es gehe noch fokussierter um den Ansatz, Schülern einen verantwortungsvollen Umgang mit multimedialen Inhalten beizubringen. „Daher nennen wir das Projekt künftig: ,Fakt oder Fake?‘“ Dieses wurde vom Bundesfamilienministerium als ein Modellprojekt im Bereich Demokratieförderung ausgewählt und für die nächsten fünf Jahre gefördert. Es hätten sich zudem sehr viele Journalistenkollegen gemeldet, die in diesem Jahr gerne mitmachen möchten.

In Sachsen war in den vergangenen Monaten die polarisierte politische Stimmung in Deutschland sehr deutlich sichtbar. Möglich, dass „Triff mich!“ aber auch in den Rest der Republik übertragen wird.

„Zunächst möchte ich Schüler und Journalisten vor allem in den östlichen Bundesländern mehr miteinander ins Gespräch bringen“, sagt Constantin Schreiber. „Wir erhalten viele Anfragen aus anderen Bundesländern, etwa Baden-Württemberg, Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen.“ Er werde mit den Ressourcen der Stiftung versuchen, dort Angebote zu machen.

Damit noch mehr Eis gebrochen wird, wie bei jenen Schülern in Nordsachsen, deren Eltern zu Hause vor „Lügenjournalisten“ gewarnt haben. Schreiber brachte an dem Tag ein Youtube-Video von 2007: der Rauswurf von Eva Herman, die rechtspopulistische Thesen vertrat, aus dem Kerner-Talk im ZDF. „Das Video kannten sie nicht, danach gab es eine spannende Diskussion über Meinungsfreiheit.“

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