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Der Berliner Ku’damm – in einer Prager Fußgängerzone. Die deutsch-deutsche ZDF-Serie „Der gleiche Himmel“ (mit Tom Schilling) läuft bald im ZDF. Und bei Netflix.

© ZDF und Bernd Schuller

Deutsche Serien, deutsche Förderung: Der ungleiche Himmel

Förder-Stiefkind Serie? Warum große deutsche TV-Events wie „Charité“ oder „Tannbach“ weiterhin in Tschechien gedreht werden.

„Der gleiche Himmel“, das Porträt einer Gesellschaft inmitten des Kalten Kriegs 1974 in Berlin. Ein junger Ost-Berliner Romeo-Agent (Tom Schilling) im Westen der Stadt, angesetzt vom Führungsoffizier (Ben Becker). Großes Kino von Regisseur Oliver Hirschbiegel. Große Besetzung, große dreiteilige Serie demnächst in Ihrem ZDF, großes deutsche Thema – aber eben gar nicht in Deutschland gedreht, sondern in Tschechien.

Wieder mal Tschechien. Und das hat nicht nur kulissen-bedingte Gründe wie bei der ARD-Serie „Charité“, die nächste Woche startet, sondern führt zu einer medien- und standortpolitischen Frage, die in Zeiten der boomenden High-End-Serie öfters gestellt wird. Deutsche Schauspieler wie Christiane Paul oder Serien wie „Deutschland 83“ gewinnen Emmy Awards, deutsche Fiktion steht weltweit hoch im Kurs.

Hört man sich aber unter den Machern dieser Serien um, hinkt Deutschland in Sachen Serien-Förderung hinterher. Das muss man ja erst mal jemandem erklären, wieso Schauspieler nach Tschechien gebracht werden müssen, um dort einen Film zu drehen, wo die Auslastung der Studios hierzulande zu wünschen übrig lässt.

Ein Leib-und-Magen-Thema für Nico Hofmann, Co-CEO der Ufa. „Wir reden im High-End-Drama-Bereich von einem Milliarden-Markt, einem immensen Wachstumsfeld.“ Das sei in der politischen Debatte nicht ausreichend anerkannt. Dabei hatte Kulturstaatsministerin Monika Grütters den Deutschen Filmförderfonds (DFFF) zuletzt von 50 auf 75 Millionen Euro aufstocken lassen. Da geht es aber vorrangig um die Förderung „kultureller Filmprojekte“. Der High-End-Drama-Bereich bleibe eher außen vor.

Für die Ufa bedeutet das: Über 50 Prozent der Produktionen wie „Charité“, „Der gleiche Himmel“, „Himmel und Hölle“, „Nackt unter Wölfen“ oder „Grzimek“ wurden im Ausland gedreht, in Tschechien oder Südafrika. Das gilt auch für „Tannbach 2“, über ein fiktives Dorf an der bayerisch-thüringischen Grenzen, produziert von Gabriela Sperl – made in Tschechien.

Deutsche High-End-Serien wie „Babylon Berlin“ wurden mithilfe des GMPF realisiert

„Auf diese Weise“, sagt Hofmann, „wandern seitens der Ufa rund zehn Millionen Euro jährlich ins Ausland, anstatt dass wir das Geld für nachhaltiges Wachstum in den Produktionsstandort Deutschland stecken, in Arbeitsplätze und Know-how.“ Die Ufa würde gerne mehr im Raum Berlin-Brandenburg mit der ansässigen Produktionswirtschaft drehen, dafür müsste sich aber an der Förder-Situation etwas ändern.

Es könnte eine Win-win-Situation sein. Eine Studie zur wirtschaftlichen Bedeutung der Filmindustrie in Deutschland zeigt die signifikante Verflechtung der Filmwirtschaft mit anderen Branchen auf. Für jeden Euro Bruttowertschöpfung, der aus der Filmwirtschaft resultiert, werden 1,6 Euro an Wertschöpfung in der gesamten Volkswirtschaft realisiert. Ähnliches gilt, und sogar noch nachhaltiger, für längerfristige Serien-Produktionen.

Gut, zur Wahrheit zählt auch: Es gab wenig Zeiten, in denen Produzenten nicht nach mehr Förderung gerufen hätten. Christoph Fisser, Vorstand Studio Babelsberg, verweist darauf, dass TV-Formate in Deutschland vom German Motion Picture Fonds (GMPF) und von Länderförderern wie dem Medienboard Berlin-Brandenburg unterstützt werden.

Der Medienboard fördert High-End-Serien und großes Event-Fernsehen mit rund fünf Millionen Euro im Jahr. Der GMPF wurde vom Wirtschaftsministerium 2015 ins Leben gerufen, um mit der Summe von jährlich zehn Millionen Euro auch High-End-TV-Serien zu fördern. „Studio Babelsberg konnte in kurzer Zeit große internationale Serienformate wie ,Berlin Station’ für den Produktionsstandort Deutschland gewinnen.“

Auch die ersten deutschen High-End-Serien wie „Babylon Berlin“, „You are wanted“ und „Dark“ wurden mithilfe des GMPF realisiert. Man sei auf dem richtigen Weg, aber die jährliche Fördersumme insgesamt zu klein im Verhältnis zum Bedarf.

„Der gleiche Himmel“ läuft auch bei Netflix

„Video-on-Demand-Plattformen wie Netflix, Amazon oder Sky“, sagt Fisser, „wollen in Zukunft noch mehr deutsche, sogenannte lokale Produktionen in Auftrag geben. Davon profitieren deutsche Produktionshäuser wie Ufa, Constantin, Pantaleon oder Wiedemann & Berg, die diese High-End-TV-Serien realisieren.“ Die Produzenten möchten natürlich auch gerne lokal drehen. „Dafür benötigen sie ein Anreizsystem auf Bundesebene, das planbar ist und auf Augenhöhe mit den Förderungen in den europäischen Nachbarländern.“

Prag rolle internationalen Produzenten seit Jahren den roten Teppich aus. „Wer in Tschechien Fernsehformate dreht, bekommt bis zu 20 Prozent der Herstellungskosten erstattet.“ Das habe der tschechischen Branche einen Boom beschert, tausende von Jobs geschaffen.“ Deutschland habe einen klaren Wettbewerbsnachteil gegenüber Tschechien oder Großbritannien, sagt auch Kirsten Niehuus, Geschäftsführerin für Filmförderung beim Medienboard.

Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien (BKM), sieht die großen Online-Anbieter wie Netflix im Fokus, wenn die Ausweitung der Filmförderung zur Stärkung des Produktionsstandortes auch auf Serien und TV in Deutschland gefordert werde. „Die Filmförderung der BKM, die wirtschaftliche und kulturelle Förderziele gleichermaßen im Fokus hat, muss weitere Faktoren berücksichtigen“, so eine BKM-Sprecherin.

Hierzu zähle auch, dass sich Netflix weigert, eine Filmabgabe nach dem Filmförderungsgesetz zu zahlen. Alleine die Vorteile einer rein wirtschaftlichen Filmförderung in Anspruch nehmen zu wollen, sich den solidarischen Mechanismen weiterer Säulen der Filmförderung in Deutschland aber zu verweigern, entspreche nicht dem Förderansatz der BKM.

„Der gleiche Himmel“ läuft übrigens nicht nur im ZDF, sondern auch bei Netflix. In die deutsche Förderung einzahlen möchte der globale Streamingdienst aber nicht. Nico Hofmann wird sich beim Thema Serienförderung in naher Zukunft wohl kaum entspannter geben können. Gedreht wurde die Ufa-Serie in den Barrandov Filmstudios. Der 1970er „Ku’damm“ steht nicht in Berlin/Babelsberg, sondern in einer Prager Fußgängerzone.

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