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Rechte Codes: Mila Sahin (Almila Bagriacik) und Borowski (Axel Milberg) kommen hinter das Geheimnis der Zahl 14. Die „Fourteen Words“ auf der Tafel dienen inzwischen auch deutschen Neonazis und Rassisten als Erkennungszeichen.

© NDR/Christine Schroeder

Der „Tatort“ mit Axel Milberg und Almila Bagriacik: Männer, die Frauen hassen

Gewalt gegen Frauen: Ein bewegender Kieler „Tatort“ über radikalen Anti-Feminismus.

An diesen Albtraum aus der Einstiegsszene des Kieler „Tatort“ muss niemand das weibliche Publikum erinnern: Abends in einem an sich schon schlecht beleuchteten Parkhaus geht eine Frau zu ihrem Wagen, der in einer hinteren Ecke steht. Plötzlich verlöschen einige Deckenlampen und beim Umsehen erblickt sie die Schemen von Männern in weißen Schutzanzügen, die schnell auf sie zukommen. Schafft sie es noch in die Sicherheit ihres Fahrzeugs?

Die „Tatort“-Folge „Borowski und die Angst der weißen Männer“ könnte viele Titel tragen: „Männer, die Frauen hassen“, wäre sicherlich ebenso passend, allerdings hieß so schon der erste Teil der „Millennium“-Trilogie von Stieg Larsson im schwedischen Original. Auch „Die berechtigte Angst von Frauen vor weißen Männern“ hätte sicherlich gut zusammengefasst, welchen Schrecken Regisseurin Nicole Weegmann und Drehbuchautor Peter Probst inszeniert haben.

[„Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer“, Sonntag, ARD, um 20 Uhr 15]

Vordergründig müssen Kommissar Borowski (Axel Milberg) und seine Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik) den Mord an einer jungen Frau aufklären, deren Leiche unweit eines Kieler Clubs auf einer Brachfläche am Hafen aufgefunden wird. Vor ihrem Tod wurde die Frau mit K.-o.-Tropfen außer Gefecht gesetzt und brutal misshandelt.

Ein Verdächtiger ist durch Überwachungskameras schnell gefunden: Das Verhältnis des schüchternen Außenseiters Mario Lohse (Joseph Bundschuh) zu Frauen kann nur als gestört bezeichnet werden. Er konsumiert Internetvideos, in denen Heilsbringer wie Hank Massmann (Arnd Klawitter) Männern wie ihm eintrichtern, dass sie das dominante Geschlecht seien, das die Frauen wieder auf den richtigen Weg bringen muss. Ansonsten besucht er Internetforen, in denen sich die Mitglieder „Rapesurfer“ und „World Commander“ nennen. Einige Spuren weisen allerdings in eine andere, viel beängstigendere Richtung, die auf eine konzertierte Gewaltaktion solcher Loser-Männer hindeutet. Und die Borowski zu einem unabgesprochenen Undercover-Einsatz verleitet.

Zu häufig erhobener pädagogischer Zeigefinger?

Der Vorwurf des erhobenen pädagogischen Zeigefingers vieler „Tatort“-Folgen ist nicht neu. Weil sich die nach wie vor meistgesehene Krimireihe häufig mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen auseinandersetzt, ist dies freilich nicht verwunderlich. Besonders kompliziert wird die Gratwanderung, wenn – wie in diesem Fall – eine Episode auf ein spezielles Datum wie den Weltfrauentag am 8. März zugespitzt wird. Mit „Borowski und die Angst der weißen Männer“ hat die ARD die richtige Balance zwischen Krimi-Unterhaltung und Anspruch gefunden. Denn was Borowski und Sahin aufdecken, ist bei aller TV-gerechten Dramatisierung alles andere als eine Plattitüde.

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Eine der Spuren ist die am Tatort in den Boden getrampelte Zahl 14. Sie dient der rechten Szene als Erkennungszeichen und steht für „Fourteen Words“. Übersetzt lauten sie „Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für die weißen Kinder sichern“, wobei weiß für arisch steht. „Fourteen Words“ wurde von Neonazis und Rassisten in den USA aufgebracht, wird inzwischen ebenso in rechten europäischen Zirkeln verwendet. Etwas, wovon Borowski-Darsteller Axel Milberg vor diesem „Tatort“ ebenfalls noch nicht gehört hatte, war der Ausdruck „Incels“. Das Kunstwort steht für „Involuntary Celibate“ oder übersetzt „unfreiwilliges Zölibat“. „In Internetforen radikalisieren sich Männer, die sich von Frauen abgelehnt fühlen. Einzelgänger, die glauben, attraktive Partnerinnen müssten eigentlich verfügbar sein“, erklärt Milberg. Aber weil diese „Incels“ ständig zurückgewiesen werden, übertragen sie ihre Wut auf stigmatisierte Gruppen wie Migranten, Juden, Muslime, Homosexuelle oder Liberale – wie bei den Attentaten von Halle, Christchurch sowie Oslo und auf der Insel Utøya. Oder direkt gegen jene Frauen, die sie als Bedrohung ihrer männlichen Vormachtstellung sehen.

Nach diesem „Tatort“ dürften ein paar Männer mehr wissen, warum es Frauenparkplätze in Parkhäusern gibt.

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