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Geht was? Thorsten Lannert (Richy Müller) trifft Kim Tramell (Ursina Lardi).

© SWR/Benoît Linder

Der „Tatort“ aus Stuttgart: Ein Bild ist ein Bild ist...

Der „Tatort: Videobeweis“ mit Richy Müller und Felix Klare verhandelt Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit - und läuft ausnahmsweise schon am Samstag.

„Liegt die Wahrheit in dem, was man sieht oder in dem, was man nicht sieht?“ Diese Frage richtet Kommissar Thorsten Lannert (Richy Müller) an seinen Kollegen Sebastian Bootz (Felix Klare), als sie sich das Video nochmals ansehen. Um den entscheidenden Hinweis zu finden, ob sie die Täterin ist oder doch er.

Sie und er, das sind Kim Tramell (Ursina Lardi) und Oliver Jansen (Oliver Wnuk) – sie ist Mitarbeiterin des Versicherungskonzerns „Metropolis“, er ist ihr Vorgesetzter und Abteilungsleiter. Auf der Weihnachtsfeier sind sie die Letzten, er steht hinter der provisorisch aufgebauten Bar und schenkt Hochprozentiges aus, sie steht davor. Eine Runde noch, alle anderen sind schon gegangen. Da fällt Kim Tramell ein, dass sie noch mal hoch muss, in die Büros, „Ich hab meinen Mantel noch oben“, sagt sie, und vielleicht mag da etwas mitschwingen, als sie sich dabei nochmals zu ihm umdreht. Vielleicht auch nicht. Daraufhin kommt er mit. Mehrdeutige Blicke im Aufzug. Ein Lächeln. Eine Frage. Oben noch ein Drink, ein letzter. Dann ein Kuss, ein erster. Anderntags liegt einer der Kollegen von Kim Tramell, Idris Demir (Ulas Kilic), tot in der Lobby der Versicherung.

[„Tatort: Videobeweis“, Samstag, ARD, 20 Uhr 15]

„Videobeweis“ ist der knappe Titel des „Tatort“ aus Stuttgart, in Szene gesetzt von Rudi Gaul, nach einem von ihm und Co-Autorin Katharina Adler verfassten Drehbuch. Die Narration dieses Falls dreht sich um den Mord am Versicherungsmitarbeiter Demir, mit dem Tramell befreundet war. Dass sie andererseits zugleich um denselben höher dotierten Job konkurrierten, den Abteilungsleiter Jansen zu vergeben hat. Nun ist Demir tot, und da Kim Tramell bis zuletzt blieb, steht alsbald Thorsten Lannert vor ihrer Tür. Vor der Tür von Oliver Jansen und seiner Frau Cleo (Karoline Bär) steht derweil Sebastian Bootz.

Tramell und Jansen sind die beiden Figuren, auf die sich fortan alles fokussiert, deren biografische Porträts anerzählt werden, deren beruflicher Kontext beleuchtet wird, vor allem aber, wer von ihnen beiden Täter oder Täterin ist.

Eindeutigkeiten und Mehrdeutigkeiten

Der „Videobeweis“ ist es, der auf dem Smartphone des Ermordeten gefunden wird: Ein Video, das Kim Tramell und Oliver Jansen am späten Abend der Weihnachtsfeier in einer verfänglichen, intimen Szenerie in Jansens Büro zeigt. Als das Video den Kommissaren vorliegt, da bezichtigt Tramell ihren Vorgesetzten plötzlich der Vergewaltigung. Im Kern der Erzählung steht nun, was auf dem Video wirklich zu sehen ist und wie es sich interpretieren lässt. Es geht um Eindeutigkeiten und Mehrdeutigkeiten. Um Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit.

[Alle Folgen des True-Crime-Podcasts Tatort Berlin des Tagesspiegels finden Sie hier]

So ist „Videobeweis“ – der wie die meisten „Tatorte“ aus Stuttgart angenehm nüchtern, klar und unprätentiös angelegt ist –, letztlich eine Abhandlung darüber, mit welcher Wahrheit der Mensch lebt. Den ganzen Film hindurch werden die Figuren von Kim Tramell und Oliver Jansen ambivalent gezeichnet. So gerät eine der ersten Befragungen Tramells durch Lannert im Subtext zu einem Flirt, zu einem Spiel der Verführung, welches dem ermittelnden Kommissar natürlich nicht passieren dürfte. Als er sie eingangs fragt, ob er vielleicht ihre Nummer haben könne, fügt er daher noch hinzu: „rein beruflich“, ganz so, als sei der private Kontext bereits nicht mehr ausgeschlossen.

Mit dieser Ambivalenz jongliert der Film. Es wird immer eine andere Ebene miterzählt. Alles ist möglich, alles ist offen, bis kurz vor Schluss. Und stets wird diskutiert, dass eine eindeutige Grenze zwischen Täter und Opfer oder zwischen Opfer und Täterin doch seltener zu ziehen ist, als man denkt.

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