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Wo ist Melanie? Die Kommissare Batic (Miroslav Nemec, v.l.n.r.) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) suchen zusammen mit den Eltern Robert (Dirk Borchardt) und Brigitte (Lisa Martinek) mithilfe der Computer-KI nach Spuren des vermissten Mädchens.

© BR

Der "Tatort" aus München: Maria und die ungehackte Empfängnis

Der BR-"Tatort" zur künstlichen Intelligenz verzichtet auf die sonst übliche Technikfeindlichkeit. Ganz ohne Volkshochschulkurs kommt er leider nicht aus.

Wie bringt man eine künstliche Intelligenz ins Bild? Stanley Kubrick wählte in „Odyssee im Weltraum“ für seinen HAL 9000 eine große Glaslinse mit rotem Hintergrund und gelbem Punkt in der Mitte. Im Münchner „Tatort“ entschieden sich Regisseur Sebastian Marka und Set-Designerin Saskia Marka für einen großen weißen Kreis vor dunklem Hintergrund. Ihre KI Maria schafft es sogar, Empfindungen auszudrücken – falls eine Maschine so etwas überhaupt kennt. Denkt Maria nach, bewegt sich der Kreis ganz langsam. Es kann aber auch vorkommen, dass Maria mit erregtem Pulsieren auf den Gesprächspartner reagiert. Vorausgesetzt, dieser ist in der Lage, sich auf das Computersystem einzulassen. Kommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) ist anfangs alles andere als KI-kompatibel. Er wird richtiggehend wütend, weil Maria ihm nicht die gewünschten Antworten gibt.

Diese Antworten benötigt der Kommissar für die Suche nach der vermissten 14-jährigen Melanie. Ihr letzter Kontakt war eben jene künstliche Intelligenz Maria auf ihrem Laptop. Melanie ist ein sehr einsames Mädchen, das die Scheidung ihrer Eltern nicht verwunden hat. Als ihr Vater sie zum wöchentlichen Treffen abholen wollte, war sie nirgends zu finden. Dafür lagen überall zerbrochene Gegenstände im Haus. Der besorgte Vater Robert Degner (Dirk Borchardt) ist ein alter Spezi von Kommissar Ivo Batic (Miroslav Nemec), der umgehend alle polizeilichen Hebel in Bewegung setzt.

Ein wenig Dürrenmatt

Maria ist eine unrechtmäßig hergestellte Kopie eines EU-Forschungsprojekts. Im Leibniz-Rechenzentrum führen Probanden Gespräche mit der KI. Die Tests finden dort unter kontrollierten Laborbedingungen statt, um die Risiken zu minimieren. Wie bei Dürrenmatts „Physikern“ geht es um das Thema Verantwortung, damit die KI nicht in den Weiten des Internets einen nicht absehbaren Schaden anrichtet. Das gefällt nicht allen im Institut: „Es ist wie mit einem Ferrari in der Tempo-30-Zone“, bedauert die ehrgeizige Programmiererin Anna Velot (Janina Fautz) diesen Umstand. Man merkt ihr an, dass sie Maria gerne mal auf der Datenautobahn erleben würde.

Digitale Themen haben im „Tatort“ derzeit Hochkonjunktur, zuletzt wurde in der RBB-Produktion „Tiere der Großstadt“ eine Maschine zum Mörder. Die Umsetzung des Themas im Münchner „Tatort“ findet der KI-Experte Florian Röhrbein gut gelungen. Er lobt vor allem die ausgewogene Darstellung von Risiken und Chancen der Technik. Dabei wird die Frage gestellt, ob Beobachtungen einer KI gerichtsverwertbar sind. Bloß wie Erdbeereis schmeckt, davon hat eine KI keine Ahnung, weiß Leitmayr.

Zum Start den Turing-Test

Ganz ohne Volkshochschulkurs über Rechnerprozesse, Datenbanken und die Definition des Turing-Tests kommt der Krimi leider nicht aus, das macht den Film unnötig sperrig. Zum Glück wird ansonsten auf die typischen IT-Klischees verzichtet. Mit einer Ausnahme. Zu den Verdächtigen im Fall der verschwundenen Melanie gehört der Systemadministrator Christian Wilmots (Thorsten Merten), der mit seiner dicken Brille und der ausgewachsenen Geheimdienst-Paranoia doch zu sehr dem Zerrbild des gehemmten Computernerds gleicht.

Dabei kann man dem Münchner „Tatort“ keine Technikfeindlichkeit vorwerfen. Natürlich wirkt es naiv, wenn Melanie zur KI sagt: „Kann ich dir ein Geheimnis anvertrauen? Du darfst es aber niemandem sagen.“ Aber denkbar wäre ein solches Gespräch bei den Digital Natives durchaus. Bei einer solch einfühlsamen Stimme würden viele Menschen glauben, es handelt sich nicht um eine Maschine, sondern um ein intelligentes und lebendiges Wesen.

Maria kann man sogar ansehen, dass sie gehackt wurde. Die Ränder des Kreises sind danach farblich verwaschen. Und Leitmayr frotzelt: „Nix mehr mit Maria und der ungehackten Empfängnis.“

„Tatort: KI“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15

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