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Resigniert und berufsmüde: Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) agiert ungewohnt ruppig in der „Tatort“-Folge „Mitgehangen“.

© WDR/Thomas Kost

Der "Tatort" aus Köln: Aal in der Tüte

Neuer Assistent, verwandelter Kommissar Ballauf: Beim Köln-„Tatort“ ist manches anders als gewohnt.

„Das ist eine Leiche wie immer. Telefon klingelt. Zack. Nächste Leiche“, sagt Max Ballauf resigniert und berufsmüde, nachdem Polizei und Feuerwehr ein Auto aus einem Baggersee gefischt haben. Aber „wie immer“ ist in diesem "Tatort" in Köln diesmal nicht alles. Im Kofferraum liegt ein toter Mann mit einer Plastiktüte über dem Kopf. Dass da was in der Tüte zappelt, sorgt für den Ekel-Moment in der „Tatort“-Folge „Mitgehangen“, die ein Familiendrama in einem Kleinbetrieb, einen neuen Assistenten und auch einen etwas anderen Ballauf (Klaus J. Behrendt) zu bieten hat.

Der Kommissar, sonst des Mitgefühls durchaus fähig, ist wie verwandelt, eiskalt und unnachgiebig. „Weichkochen“ will er den Verdächtigen, und das tut er auch. So lange, bis Matthes Grevel (Moritz Grove) in seiner Zelle am Fenstergitter baumelt. Mit dieser Szene beginnt der bemerkenswerte 72. „Tatort“ aus Köln, der dritte, den Regisseur Sebastian Ko („Wir Monster“) inszeniert hat. Nach der Vorblende springt der Film wieder zurück: Florin Baciu, das im Auto versenkte Mordopfer, war Teilhaber des Reifenhandels von Grevel und allseits unbeliebt. Auf seinem Computer findet die Polizei manipulierte Fotos, bei denen der Kopf von Grevels Frau Katrin (Lavinia Wilson) auf spärlich bekleidete Frauenkörper montiert wurde. Bei einer Durchsuchung der Firma stellt sich heraus, dass Baciu dort erschossen wurde. Und in der Wohnung der Grevels werden Hinweise entdeckt, dass er sich an dessen minderjährige Tochter heranmachen wollte. Auch Grevels Alibi – Angeln mit Sohn Simon (Alvar Goetze) – erweist sich als nicht ganz wasserdicht.

In die Ecke gedrängt

Die Polizei, die sonst im Fernsehkrimi die Ordnung der Dinge wiederherstellt, löst mit ihren Ermittlungen eine Tragödie aus. Freddy Schenk (Dietmar Bär), der Familienmensch, versucht vergeblich, seinen Kollegen zu bremsen, der geradezu verbissen den Verdächtigen in die Ecke drängt. Köln einmal anders: Ein unsympathischer Ballauf. Streit unter den befreundeten Langzeit-Kommissaren. Ein Film ohne explizit gesellschaftskritisches Thema, aber in dem ganz eigenen, selten erzählten Milieu eines ums Überleben kämpfenden Familien-Kleinbetriebs. Sogar die Wurstbude steht nicht mehr postkartenschön am Rhein, sondern in einem Industriegebiet, und Schenks Friedensvorschlag („Currywurst?“) geht ins Leere.

Und dann ist da noch der neue dritte Mann. Roland Riebeling löst Patrick Abozen ab, der in neun Folgen den schwulen Assistenten Tobias Reisser gespielt hatte und der sich nun per Hochzeit in Las Vegas aus der Reihe verabschiedet. Stattdessen sitzt der behäbige Norbert Jütte auf dessen Stuhl, trinkt Tee und misst den eigenen Blutdruck. Sein Motto: „Nu mal nicht aufregen. Immer schön eins nach dem anderen.“ Jütte wirkt auf den ersten Blick wie ein personifizierter Beamtenwitz. „Aber Vorsicht – Jütte ist schlau. Im Präsidium brutal vernetzt“, sagt Drehbuchautor Johannes Rotter. In „Mitgehangen“ kommt das noch selten zur Geltung. Aber, um es mit Jütte zu sagen: „Einarbeiten dauert natürlich.“ Könnte aber was werden.

Neben der Kamera von Kay Gauditz imponiert auch die jazzige Filmmusik von Olaf Didloff, dazu setzen zwei Songs von Lenny Kravitz und Leonard Cohen in Schlüsselszenen Akzente. Nur das Element Wasser wird als durchgängiges Motiv etwas übermäßig bemüht, bis zum Wasserfleck in der Gefängniszelle. Auch Ballauf geht jetzt regelmäßig schwimmen. Um fit zu bleiben, sagt er, der Kommissar in der Midlife-Krise, den der Aal in der Tüte an eine betrübliche Wahrheit erinnert: Als Polizist werde man immer nur gerufen, „wenn alles scheiße und fürchterlich ist“. Thomas Gehringer

"Tatort: Mitgehangen"; ARD, Sonntag, 20.15 Uhr

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