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Szene aus Wagners "Siegfried" an der Deutschen Oper Berlin.

© Bernd Uhlig

"Der Ring des Nibelungen" als Podcast: Wagner ohne Wagalaweia

Wenn Oper zum Hörspiel wird: RBB Kultur bringt den „Ring des Nibelungen“ als Podcastserie heraus - und will damit auch klassikferne Menschen erreichen.

Was bleibt übrig, wenn Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ vom Gesang befreit wird – und von den pseudomittelalterlichen Stabreimen, die der Komponist für das Libretto verwendete? Wenn die handelnden Personen des Mammut-Musikdramas also nicht „Hat dich ein Nicker geneckt?“ schmettern, „Sind’s gute Runen, die deinem Aug’ ich entrate?“ oder gar „Wagalaweia, woge, du Welle“? Dann kommt eine spannende, überraschend moderne Story zum Vorschein, findet Regine Ahrem. Eine Geschichte, die auch für ein breites Publikum jenseits der eingeschworenen Wagnerianer-Zirkel interessant ist.

Denn im „Ring“ geht es zu wie in einem Sonntagabend-Krimi. Da wird gelogen und betrogen, gemordet und gemetzelt, ein verheirateter Hauptdarsteller erlaubt sich jede Menge Seitensprünge, es gibt Inzest und Bigamie. Vor allem aber fasziniert Regine Ahrem der Umweltaspekt der Tetralogie, das „grüne Narrativ“, wie sie es nennt: Wotan verletzt die Weltesche, um sich seinen Speer zu schnitzen, Alberich raubt das Rheingold, um daraus einen Ring zu schmieden. Beides geschieht aus Machtgier, in beiden Fällen wird damit das geologische wie geopolitische Gleichgewicht gestört. Urmutter Erda wird bei Richard Wagner angerufen, mit der Frage aller Fragen: Wie können wir im Einklang mit der Natur leben?

Die Oper wird zum Klangtheater

In ihrer 16-teiligen Podcast-Fassung von Wagners Gesamtkunstwerk hat Regine Ahrem Erda darum zur Erzählerin gemacht (ab 29. April sind alle „Ring“-Podcasts in der ARD-Audiothek verfügbar, ab dem 6. Mai laufen sie dann auf den Hörspiel-Sendeplätzen im Programm von RBB Kultur). Und sie hat hochkarätige Schauspieler:innen für die Sprechrollen gewonnen wie Bibiana Beglau, Kathrin Angerer, Lars Rudolph und Martina Gedeck. Die Hörspieldramaturgin, die seit 1986 in Berlin beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeitet, lässt einen Großteil der weitschweifigen Operndialoge weg, fokussiert sich auf die Schlüsselszenen und lässt ihre Figuren modernes Deutsch sprechen. Aber nicht so einen Straßen-Slang, wie das Berufsjugendliche machen würden, die sich an junge Zielgruppen ranwanzen wollen, sondern gehobene Prosa, als wär’s ein Bühnenstück des 21. Jahrhunderts.

Bibiana Beglau spricht die Rolle Brünhilde im "Ring"-Podcast
Bibiana Beglau spricht die Rolle Brünhilde im "Ring"-Podcast

© rbb/Thomas Ernst

Wagners genialem Wurf Respekt zu erweisen und dessen Inhalt zugleich für eine heutige, nicht unbedingt musiktheateraffine Hörerschaft zu erschließen, das gelingt Regine Ahrem gut. Und es klingt auch so, denn zusammen mit ihrem Toningenieur Peter Avar hat sie das Projekt in anspruchsvoller Kunstkopf-Aufnahmetechnik realisiert – die beim Anhören mit Kopfhörern ein akustisches 3D-Erlebnis bietet, weil die Stimmen und Geräusche aus allen Richtungen kommen. Ihr „Ring“ ist ein Hörspiel in nobelstem Sinne, ein klassisches Klangtheater – auch wenn es der RBB als Podcast verkauft, weil das cooler klingt.

Wagnerianer werden enttäuscht sein: Musik spielt nur eine Nebenrolle

Opernfans allerdings werden die Musik vermissen. Originale Klänge verwenden Ahrem und Avar nämlich äußerst sparsam. Nur kurz blitzen die Leitmotive auf, durch die Wagner seine Charaktere akustisch wiedererkennbar macht oder auch bestimmte Requisiten wie das Schwert Notung. Stattdessen untermalen oft wabernde Klangflächen die Dialoge. Sie stammen vom Filmmusikkomponisten Felix Raffel, der sich die Inspiration für diese amorphe Atmo-Soße sogar vom Original geholt haben will.

Wer die Story so als Fantasy-Kopfkino kennenlernt, muss anschließend ja nicht sofort zu einer Live-Aufführung ins Opernhaus losstürzen. Aber vielleicht bekommt sie oder er Lust, mal in Wagners Partituren hineinzuhören. Das geht aktuell sogar bei RBB Kultur: Auf der Website des Senders ist die Gesamtaufnahme der „Ring“-Neuinszenierung an der Deutschen Oper Berlin noch bis zum 10. Mai abrufbar.

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