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„Wieso laufen mir eigentlich immer die Kollegen weg?“ Ermittlerin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) wundert sich.

© MDR/Stefan Erhard

Der „Polizeiruf“ aus Magdeburg: Im Wettfieber

„Brasch ist besessen, Brasch ist manisch“: Claudia Michelsen im „Polizeiruf“ allein unterwegs. So fesselnd wie ein Nachmittag an der Trabrennbahn.

Pferde können etwas zutiefst Unheimliches ausstrahlen. Das aufbrausende Schnauben. Die flatternden Nüstern. Das nervöse Scharen mit den Hufen. Der durchdringende Blick aus tiefen, dunklen Augen. So erscheinen die majestätischen Tiere Doreen Brasch (Claudia Michelsen) im Schlaf. Immer wieder wechseln sich die Sequenzen mit Bildern von blutverschmierten Händen und einem unbekannten Mann ab, der sich ihr bedrohlich nähert. Dann reißt ein Anruf die Kommissarin im neuen „Polizeiruf“ jäh aus dem Alptraum. Ein junger Vater wurde nahe der Magdeburger Galopprennbahn Herrenkrug tot am Elbstrand gefunden. Die Leiche von Milan Siebert weist mehrere Verletzungen auf. Auch gibt es Hinweise auf eine Vergiftung. Siebert war spielsüchtig und hatte hohe Schulden.

Als Brasch am Tatort erscheint, fragt die von Schulterschmerzen gezeichnete Kommissarin in die Runde: „Wieso laufen mir eigentlich immer die Kollegen weg?“ Ihr Boss Uwe Lemp (Felix Vörtler) hebt nur kurz die Augenbrauen. Es ist der erste Fall der Magdeburger Ermittlerin Brasch ohne ihren Partner, Hauptkommissar Dirk Köhler (Matthias Matschke). Es ist bereits der zweite Kollege, den sie in ihrer „Polizeiruf“-Karriere verschleißt: Schon nach den ersten fünf Folgen verließ der von Sylvester Groth gespielte Hauptkommissar Jochen Drexler das Team. In der am Sonntag ausgestrahlten zwölften Ausgabe „Totes Rennen“ konzentriert sich alles auf die souveräne Einzelkämpferin. Eine gute Wahl von den Machern um Regisseur Torsten C. Fischer: Alleine kann Michelsen ihre Stärken vollends ausspielen, die die Kollegen auf der Wache auf die Formel „Brasch ist besessen. Brasch ist manisch“ bringen.

[„Polizeiruf 110: Totes Rennen“, ARD, Sonntag, um 20 Uhr 15]

Offensichtlich hatte der ermordete Siebert Einblick in kriminelle Machenschaften im Wettbetrieb. Mit dem Wissen um Manipulationen wollte er seine Familie aus der Schuldenmisere befreien. Doch der Tote entpuppt sich auch als Ex-Informant des LKAs, das seit Jahren mit der Soko „Toto“ im Wettmafia-Ring ermittelt. Der letzte Anruf des Opfers vor dem Ableben erreichte einen gewissen Hannes Kehr (Michael Maertens).

Ein dubioser Verbindungsmann

Der dubiose LKA-Beamte stellt sich bei Brasch als Verbindungsmann für Siebert vor. Kehr ist ausgerechnet jener Mann, der ihr bereits im Alptraum erschienen war. Als Kopf der Soko „Toto“ taucht er während der Ermittlungen immer wieder unvermittelt auf, versucht das Vertrauen von Brasch zu gewinnen, steckt LKA-Informationen durch, aber warnt sie auch eindringlich: „Betreten Sie nicht diese Welt!“ Die Kommissarin bleibt misstrauisch: Hält Kehr am Ende gar der Wettmafia den Rücken frei?

Brasch ist verunsichert, ob sie mit ihm als Co-Ermittler auf das richtige Pferd setzt oder ob sie nicht doch lieber ein Einzelrennen bestreiten soll. So beginnt ein Fiebertraum zwischen bunt flackernden Spielautomaten und ihren in Rot gehaltenen Visionen. Tiefer und tiefer taucht sie in die Welt der Wetten ein, deren Maxime „Schnell verdient. Schnell verloren.“ lautet. Als Brasch den Spielsüchtigen Micky Puhle (Martin Semmelrogge) trifft, der ihr offenbart, dass er nur da wette, wo er selber geschoben habe, ist es bereits zu spät. Am Morgen darauf findet sich Brasch von K.O.-Tropfen betäubt und entkleidet im Park wieder.

„Totes Rennen“ fesselt wie ein Nachmittag auf der Tribüne einer Trabrennbahn. Am Ende der langen Jagd ist man angesichts des Ermittlungserfolgs froh, kein Geld auf den vermuteten Täter gesetzt zu haben. Erst wenn die Pferde im finalen Rennen aus den Startboxen gelassen werden, klärt sich alles auf. Bis dahin werden sich die Zuschauer mehrfach dabei erwischen, wie sie sich mit ihrem Verdacht vergaloppieren. Hannes Soltau

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