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Unterwerfung. Szene mit Burghart Klaußner im Film „Das weiße Band“. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa

"Das weiße Band": Geschichten von schwarzer Pädagogik

Die ARD zeigt den preisgekrönten Film „Das weiße Band“ von Michael Haneke. Im Genre des vermeintlichen Thrillers zerlegt er das Werte- und Sozialgeflecht aus Schuld, Bestrafung, Heuchelei, um das es auch im neuen Buch von Andreas Altmann geht.

Das Buch heißt: „Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend“. Der Film heißt: „Das weiße Band“. Beide Werke, das aktuelle Buch von Andreas Altmann und der stets aktuelle Kinofilm von Michael Haneke, erzählen von verheerter Jugend. Altmann, Reisereporter und Kisch-Preisträger, nimmt seine Leidensjahre in Altötting, dem Wallfahrtsort eines irrational übersteigerten Katholizismus, zum Maß. Die Schreibattacke in der Vater-Sohn-Kriegszone liest sich wie Hassliteratur. Die Linie einer rabenschwarzen Pädagogik in der deutschen Familiengeschichte ist sehr lang, sie wird persönliches Drama, sie wird zum gesellschaftlichen, ja staatlichen Versagen: Terrorismus, Holocaust, Nationalsozialismus.

Kinder, Jugendliche, Gewalt und falsch ausgesteuerte Werte, das ist ein Generalthema des Österreichers Michael Haneke, so in „Bennys Video“ (1992) und „Funny Games“ (1997). „Das weiße Band“ von 2009 sucht freilich nicht nach individuellen, sondern nach grundsätzlichen Antworten. Ein Historiendrama, das seine zeitliche Demarkationslinie überspringt. In einem norddeutschen Dorf, im Sommer 1913, werden mehrere Erwachsene Opfer gewollt herbeigeführter Unfälle, Kinder brutal verletzt. Regisseur und Autor Haneke zerlegt im Genre des vermeintlichen Thrillers das Werte- und Sozialgeflecht aus Schuld, Bestrafung, Heuchelei. Der Pfarrer (Burghart Klaußner) vergiftet seine Kinder mit protestantischen Dogmen. Schafft das große Monster, schafft kleine Monster, hart und im Hass gegen jene, die nicht so kaputt sind wie sie selbst?

Das stimmt schon, zugleich hat Haneke keinen vordergründigen Monsterfilm gedreht. Seine Figuren in den hypnotischen Schwarz-Weiß-Bildern, wie sie die Kamera von Christian Berger zeichnet, werden zu Vorboten jenes Unheils, das im Rassen- und Vernichtungswahn der Nazis Wirklichkeit wird.

Burghart Klaußner, Ulrich Tukur und Rainer Bock agieren virtuos, die Kinderdarsteller sind überwältigend. In die Gesichter der – eben auch verzweifelten – Kinder zu schauen, war für die Kinogänger eine Anstrengung und wird für die Fernsehzuschauer eine Herausforderung. „Eine deutsche Kindergeschichte“ heißt der Untertitel, der auch der Untertitel der Schreibtherapie von Andreas Altmann sein könnte. Joachim Huber

„Das weiße Band“, ARD, Montag, 20 Uhr 15

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