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Medien: Das Maß aller Dinge

Von Thilo Wydra München, mitten im Hofgarten an der Residenz. Dort, wo bei Sonnenschein die Boule-Spieler rotweinselig über die Dinge des Lebens philosophieren, sitzt sie auf einer der Steinbänke im Diana-Tempel, der BH ist heruntergezogen.

Von Thilo Wydra

München, mitten im Hofgarten an der Residenz. Dort, wo bei Sonnenschein die Boule-Spieler rotweinselig über die Dinge des Lebens philosophieren, sitzt sie auf einer der Steinbänke im Diana-Tempel, der BH ist heruntergezogen. Ihre überdimensionalen Silikon-Brüste bestimmen die Szenerie. Lo Rex war ein stadtbekanntes Busenwunder. Lo ist tot. Wie ausgestellt, fast wie ausgestopft sitzt sie dort und wird in den frühen Morgenstunden gefunden.

Ein grotesker Anblick, der sich den Kommissaren Tauber (Edgar Selge) und Obermaier (Michaela May) da bietet. Schnell ist klar, dass Lo nicht im Hofgarten gestorben ist, sondern extra dorthin gebracht und derart exponiert wurde, um ein letztes Mal für Aufruhr zu sorgen, im Schicki-Micki-München. Schnell führt die Spur zu Fred Fink (Michael Brandner), dem Manager von Lo, und zu dessen Freundin Waltraud (Nadeshda Brennicke), die ebenfalls über umfangreiche Vorzüge verfügt und daher „Silikon Walli“ gerufen wird. Walli träumt von einer Karriere als Sängerin. In der aufkommenden Retro-Welle sieht sie sich schon in den Fußstapfen von Caterina Valente. Doch Fred hat anderes mit ihr im Sinn, die nächste Brustvergrößerung hat er schon terminiert, denn nur das bringt neue Verträge und mehr Zaster. Walli soll die zweite Lo werden…

„Silikon Walli“ (ARD, 20 Uhr 15) ist der nunmehr elfte BR-„Polizeiruf“, und es ist abermals ein ungewöhnlicher Fernsehfilm, einer, der ein durchaus tabuisiertes Sujet um Möpse, Medien und Machenschaften anpackt und parallel eine sich aus Andeutungen und Assoziationen aufbauende Liebesgeschichte erzählt.

Beides ist Drehbuchautor Wolfgang Limmer und Regisseur Manfred Stelzer unprätentiös und unaufwendig gelungen. Hier wird nicht auf die blecherne Pauke gehauen. Leise und subtil wird erzählt, werden die Biografien wie nebenbei beleuchtet: Zum Beispiel die von Walli, die just mit ihrem Schönheitschirurgen einen Sohn hat, den sie nur selten sehen darf und der bei ihrer sie verachtenden Mutter wohnt, Walli, die von Fred abhängig ist, von seinen Verträgen, Lügen und vom Blitzlichtgewitter der Presse, und Walli, die sich zu Kommissar Tauber hingezogen fühlt, der sie beschützt, sich kümmert und sorgt. Das verhalten-zarte Gefühl zwischen dem einarmigen Tauber und der properen Walli einerseits, andererseits die Tabu-Thematisierung mit all ihren Nebenwirkungen – ein gewagter, stiller und sehenswerter Primetime-Stoff aus München.

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