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Das Fernsehen von gestern als Fernsehen von heute: Ist der Greis noch heiß?

Durch das Privatfernsehen rollt gerade eine Retrowelle. Es gibt Schlimmeres, solange es nichts Besseres gibt. Ein Kommentar.

Für Fernsehkritiker ist die Retrowelle, die insbesondere durch das Privatfernsehen rollt, untragbar. „Balko“ bei RTL, „TV total“ bei ProSieben, „Geh aufs Ganze“ bei Sat 1 und bei RTL verkündet Harry Wijnvoord: „Der Preis ist heiß“. Für Fernsehkritiker stecken in dieser Programmierung Denkfaulheit, Phantasielosigkeit, Feigheit. Wo bleibt das Neue, die Innovation, die Sensation – so lauten die Empörungsschreie.

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Und sonst so? Die Privatsender werden älter und älter und mit ihm ihre Publika, jedenfalls, was die lineare Ausstrahlung angeht. Die Zuschauerinnen und Zuschauer über 50 haben diese Shows und Serien eingeschaltet, sie haben sie in den 80ern und 90ern geschätzt, wenn nicht geliebt. Die aktuelle Herausforderung lautet, ob diese Liebe wieder entflammbar ist. Wenn ja, bedeutet die Flucht in die TV-Vergangenheit die ertragreiche Zukunft der kommerziellen Veranstalter.

Gemischte Erfolgsbilanz

Die bisherge Bilanz ist gemischt: „Balko“ oder „7 Tage, 7 Köpfe“ floppten, „Geh aufs Ganze“ wurde 2021 auf 2022 verlängert.

In den Neuauflagen steckt durchaus der Geist von ehedem, nicht jeder Protagonist hat die Jahre unbeschadet überstanden. Manches Gelenk knirscht, die Lächeln kommen aus der Botox-Maske, der Charme wirkt so abgestanden wie das Kännchen Kaffee.

Retrowelle muss Werbewelle sein

Das alles spielt keine Rolle, wenn bei der Retrowelle gleichzeitig dieWerbewelle rollt. Wenn RTL & Co. Geld mit dem Fernsehen von gestern verdienen, ist in ihrer Perspektive alles richtig gemacht worden. Es ist ja auch nicht so, dass jede neue Showidee, jede Seriennovität das Quoten-Thermometer nach oben treibt. Die Abstellkammern sind übervoll mit Flops: „Beck is back!“, „Claudis House of Love“, „Lebenslieder“, die Liste bei den privaten, aber auch den öffentlich-rechtlichen Sendern ist lang. Und ob „Zervakis & Opdenhövel. Live“ bei ProSieben überlebt, ist noch nicht ausgemacht.

Der Sperrmüll kann warten

Das Risiko, mit einer Neuauflage oder mit einer Innovation das Publikum wegzutreiben, scheint sehr ausgeglichen zu sein. Dann lieber Retro? Irgendwo stehen immer noch alte Kulissen herum. Wie beim Publikum mancher Fernsehsessel im Keller. Der Sperrmüll kann warten.

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