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Der Fremde im Unterhaus. Die Wissenschaftlerin Yvonne Carmichael (Emily Watson) begegnet Mark Costley (Ben Chaplin).

© Arte

Britische Serie auf Arte: Eine verhängnisvolle Affäre

Die Angst nach einer Vergewaltigung: Emily Watson brilliert in der Arte-Serie „Nachdem ich ihm begegnet bin“.

„Die Angst macht uns alle zu Tieren.“ Diesen Satz spricht Dr. Yvonne Carmichael (Emily Watson) immer wieder aus – im inneren Monolog, den nur der Zuschauer aus dem Off hören kann. In Angst lebt die am Londoner Beaufort Institute arbeitende Genforscherin nicht. Seit 30 Jahren ist die Fünfzigjährige mit Gary Carmichael (Mark Bonnar) verheiratet und lebt im Reihenhaus am Rande Londons.

Das Paar hat zwei erwachsene Kinder. Tochter Carrie (Olivia Vinall) ist schwanger. Sohn Adam (Jack Hamilton) taucht sporadisch auf. Dann begegnet die Wissenschaftlerin Mark Costley (Ben Chaplin). Im Unterhaus hat Dr. Carmichael in einer Anhörung gesprochen, als sie sich danach in der Caféteria eine Flasche Wasser kauft: Da steht er neben ihr, bedankt sich für die Verständlichkeit ihrer Ausführungen. Dieser Moment wird Yvonne Carmichaels Leben grundlegend ändern.

Der Mann bietet ihr eine Führung in Kapelle und Krypta des Parlamentsgebäudes an, Yvonne nimmt an. Dabei kommen sie sich alsbald näher. Es mag einer der unstimmigen Punkte in der Narration der neuen vierteiligen britischen Mini-Serie „Apple Tree Yard“ auf Arte sein, die den banaleren deutschen Titel „Nachdem ich ihm begegnet bin“ trägt: dass eine Frau Anfang fünfzig nach wenigen Minuten der flüchtigen Bekanntschaft mit einem völlig Fremden einwilligt, sich körperlich näher zu kommen.

Dann geschieht etwas Unvorhersehbares

Yvonne Carmichael und der Unbekannte, dessen Namen sie erst viel später erfahren wird und der vorgibt, für den britischen Geheimdienst zu arbeiten, gehen eine Affäre miteinander ein. Dann geschieht etwas Unvorhersehbares: Bei einer Jubiläumsfeier im Beaufort Institute wird Yvonne Carmichael von einem Kollegen brutal vergewaltigt. Fortan lebt sie in Angst, nicht zuletzt davor, dass dieser Vorfall publik wird.

Nicht einmal ihrem Mann Gary erzählt sie davon und kaschiert alle Spuren. Yvonne Carmichael führt ein Doppelleben. Bis sich die Dinge dramatisch zuspitzen sollen und ihr Liebhaber Mark Costley und sie wegen Mordes angeklagt werden. Wegen Mordes an George Selway (Steven Elder), eben jenem Kollegen, der Yvonne vergewaltigt hat - und der nun tot ist.

„Apple Tree Yard“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Louise Doughty („Black Water“), den Regisseurin Jessica Hobbs und Autorin Amanda Coe für den Bildschirm adaptiert haben. Der dramaturgisch nicht immer stringente BBC-Vierteiler wird ganz von der Präsenz der beiden Protagonisten getragen, Emily Watson und Ben Chaplin, die 2007 für „The Water Horse“ bereits gemeinsam vor der Kamera standen. Doch trotz der literarischen Vorlage, trotz der beiden Kinostars und trotz der von den „Broadchurch“-Produzenten verantworteten BBC-Produktion vermag die Serie nur partiell zu überzeugen.

Einige Handlungsstränge wirken zu bemüht, zu wenig glaubhaft, anderes wiederum wirkt vorhersehbar. Setting und Personal bleiben eigenartig kühl. Erst als es in den Teilen drei und vier zur entscheidenden Gerichtsverhandlung kommt, ergreift der Zuschauer Partei und bangt mit der unschuldig Schuldigen. Neben ihr auf der Anklagebank sitzt, hinter Glas, ihr ehemaliger Liebhaber, dieser Unbekannte. „Die Angst macht uns alle zu Tieren.“

„Nachdem ich ihm begegnet bin“, Arte, Donnerstag, 20 Uhr 15

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