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Unter Druck. „Breaking Bad“ erzählte die Geschichte von Walter White: vom Lehrer zum Drogenbaron. Nun wird Whites Partner Jesse (Aaron Paul) ein Epilog gewidmet. Foto: Netflix

© Ben Rothstein/Netflix

„Breaking Bad“-Sequel: Better Call Jesse

Ohne Walter White, aber mit Jesse Pinkman: Netflix bringt mit „El Camino“ eine Fortsetzung von „Breaking Bad“ im Filmformat.

Ein Minimum an Skepsis ist angeraten, wenn sechs Jahre nach dem Ende einer sehr erfolgreichen Serie wie „Breaking Bad“ eine Fortsetzung als Film erscheint. Zu groß ist die Gefahr der reinen Ausschlachtung des Kultstatus und durch das Aufwühlen einer längst abgeschlossenen Geschichte unzählige Fans zu verärgern, wie es bei dem „Entourage“- oder bei beiden „Sex and the City“-Filmen der Fall war. Schließlich liegt die Stärke guter Serien gerade darin, dass sie sich an der Stelle Zeit nehmen können, wo der Spielfilm nach einer strengeren Uhr tickt.

All das konnte Netflix nicht abschrecken, solange klar ist, dass der Franchise-Name allein eine astronomische Anzahl an Viewern garantiert. Entsprechend ist „El Camino: A Breaking Bad Movie“ betitelt, der an die fünfte und letzte Staffel der Erfolgsserie anschließt. Diese hatte die Geschichte von Walter White (Bryan Cranstons später Durchbruch) und dessen Entwicklung vom harmlosen Chemielehrer zum gnadenlosen Drogenbaron auserzählt. Nun wird der zweiten Hauptfigur Jesse Pinkman (Aaron Paul), dem Drogendealer und jungen Partner von White, ein Epilog gewidmet.

Nachdem Netflix bereits am Verleih des „Breaking Bad“-Spin-offs „Better Call Saul“ beteiligt war, hat sich der Streamingdienst diesmal mit Sony Pictures zusammengeschlossen, um einen abendfüllenden Film zu produzieren. Im Gegensatz zur Serie über den listigen Anwalt Saul Goodman, die es geschafft hat, sich sowohl formal wie erzählerisch vom Original abzuheben, bleibt „El Camino“ möglichst nah an der Vorlage dran.

Direkt im Anschluss an "Breaking Bad"

Die Handlung setzt unmittelbar nach dem Ende von „Breaking Bad“ ein. Als Jesse nach jahrelanger Gefangenschaft bei einer rechtsextremen Gang, wo er zum Meth-Kochen gezwungen wurde, freikommt, versucht er verzweifelt, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen. Sowohl Kontinuität als auch Qualität wird dadurch garantiert, dass „Breaking Bad“-Creator Vince Gilligan, der bei einer Handvoll Folgen bereits Regie geführt hatte, hier als Producer, Drehbuchautor und Regisseur fungiert.

Entsprechend und zur Freude der Fans haben zahlreiche Stammfiguren aus der Serie einen Gastauftritt, meist über Flashbacks. Darunter der alte Auftragskiller Mike (Jonathan Banks), ein später Walter White und Jesses Kidnapper Todd (Jesse Plemons). Letzterer hatte seinem Gefangenen von einer größeren Geldsumme erzählt, die er bei sich lagert und die Jesse nun auftreiben muss, um sich einen Neuanfang leisten zu können.

Todd liefert außerdem durch sein Auftreten als gleichsam zuckersüßer und gewissenloser Mörder Anlass für mehrere absurd komische Szenen. So wenn er in einem Flashback Jesse dazu auffordert, ihm in seiner Wohnung behilflich zu sein. Auf die Frage, wie ihm denn Todds Bude gefalle, antwortet Jesse: „Irgendwie pastellig. Aber auf gute Weise.“ Nach einer kurzen Unterhaltung über Ostereierfarben fragt ein leicht verwirrter Jesse, ob er zum Streichen gekommen sei. Wenn noch Zeit bleibt, doch erst müssen die beiden sich um die Leiche kümmern, die Todd im Nebenzimmer liegen hat.

Unerwartetes Highlight bildet der letzte Auftritt des am Starttag von „El Camino“ verstorbenen Robert Forster. Als unbeeindruckter Staubsaugerverkäufer Ed liefert der primär für „Jackie Brown“ bekannte Schauspielveteran, der in über 50 Jahren Karriere fast 200 Schauspielcredits ansammelte, eine der besten Szenen dieses Films ab.

Ein bisschen Wild West

Trotz Suspense-reicher Einzelsequenzen leidet der über zwei Stunden lange Streifen an einer unnötig lang gezogenen zweiten Hälfte, in der Jesse noch ein bisschen Wilder Westen spielen muss. So wird augenfällig, dass Gilligan die Rhythmik des Spielfilms noch nicht beherrscht. Das Ergebnis ähnelt eher zwei zusätzlichen Folgen „Breaking Bad“. Das hat den Vorteil, dass „El Camino“ dem Schema der Serie treu bleibt und das Risiko umgeht, sich in neuer Form alleinstehend beweisen zu müssen. Nachteil ist, dass „El Camino“ dadurch eine wenig spektakuläre Coda bleibt, die es nach dem zufriedenstellenden Ende der Kultserie nicht unbedingt gebraucht hätte.

„El Camino“, Netflix

Dominique Ott-Despoix

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