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Drei Jugendliche geraten mit Nacktfotos ins Netz und alle drei haben verschiedene Strategien, wie sie damit umgehen.

© ARD Degeto/Wild Bunch Germany

Bloßgestellt im Internet: Mein Sex ist nicht euer Sex

Die Serie "Nudes - Nackt im Netz" erzählt über Cybbermobbing, ohne ein Kompendium für Online-Pädagogik zu werden

„Nudes“ klingt harmlos, „Nackt im Netz“ schon weniger. Und das ist auch nicht harmlos, wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer die zehnteilige Serie „Nudes – Nackt im Netz“ sehen. Es geht um 14-Jährige, 16-Jährige und um 18-Jährige. Sie machen Erfahrungen, mit denen sie nicht gerechnet haben, als sie ihr Handy in die Hand genommen haben. Sie haben Fotos gemacht, von sich und anderen. Fotos, die sie beim Sex oder nackt oder nackt beim Sex zeigen. Das alles ist intim, sehr privat, war intim und privat gemeint.

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Es mangelt nicht wenigen Teenagern an Problembewusstsein dafür, wie verletzlich man sich macht, wenn man intime Bilder oder Videos von sich schießt und teilt. Und es mangelt bei denjenigen, die solches Bildmaterial weiterverbreiten, an einem Gespür für die emotionalen Folgen bei den Betroffenen und für die juristischen Konsequenzen.

["Nudes – Nackt im Netz“, ARD, Dienstag, ARD, 22 Uhr 50; ab Mittwoch in der ARD-Mediathek]

Die norwegische Produktion versammelt drei Storys, die ersten Episoden sind „Sofias Story“, die Teile vier bis sieben erzählen „Victors Story“, die drei Schlussfolgen sind „Adas Story“ gewidmet. Die 16-jährige Sofia (Lena Reinhardtsen) und ihre Freundinnen Hanna, Aya und Emilie gehen zu einer Party, wo sie auf Axel (Christian Reyes Løvdal) trifft. Es kommt zum Sex, schnell steht ihr erstes Mal im Netz. Sofia will sich mit dem „Victim Blaming“ nicht abfinden und unbedingt herausfinden, wer das Video gedreht und online gestellt hat. Dabei erlebt sie eine große Überraschung.

Drei Storys

„Victors Story“ erzählt folgende Version: Der 18-Jährige (Tord Kinge) hatte Sex mit der minderjährigen Miriam (Stella Kvam Young). Das geht viral, Viktor wird angeklagt. Der Schülersprecher bekennt seinen Fehler öffentlich. Dann trifft er sich mit Miriam, um ihr klarzumachen, zu welchen Konsequenzen eine Verurteilung für ihn führen würde. Aber dann erfährt er, was die Veröffentlichung des Videos für Miriam bedeutet.
Die 14-jährige Ada (Anna Storeng Frøseth) fühlt sich unscheinbar und unsichtbar. Aus Neugier beginnt sie einen Chat mit einem gut aussehenden Jungen. Der schickt ihr Nacktbilder von sich und fordert sie auf, ihm ebenfalls welche zu schicken. Das macht sie, schon finden sich die Aufnahmen im Netz. Ein Unbekannter bietet dem zunehmend verzweifelten Mädchen gegen Geld an, die Bilder verschwinden zu lassen. Ada greift in die Klassenkasse.
Die zehn Episoden, geschrieben von Jørgen Faerøy Flasnes, Liv Joelle Barbosa Blad und Erika Calmeyer, sind kurz, dauern jeweils nur knapp 20 Minuten. Die Einheit von Zeit, Raum und Handlung erlaubt eine sehr dichte Erzählung, die Regisseurinnen Blad und Calmeyer schaffen es, über diese Konzentration die bedrängenden Fragen klar und deutlich nach vorne zu schieben, ohne dass die Warnhinweise, was aus dem leichtfertigen Umgang mit und im Netz folgen kann, die Anthologie zu einem Kompendium der Online-Pädagogik zu Cybermobbing und Cybergrooming verrutschen lassen. Das individuelle Schicksal nimmt den allgemeinen Lerneffekt mit.

Authentische Schauspielerei

Die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler sind behend und begabt genug, ihren gleichaltrigen Figuren die notwendige Authentizität zu verleihen – Glaubwürdigkeit eben. Das tut not, wenn die Storys über das Verschieben der Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit berichten, sich zu den Möglichkeiten der sozialen Medien à la Tiktok und Instagram deren Gefahren und Risiken gesellen. Wenn der Lust an der Präsentation der Leidensdruck auf dem Fuß folgt, wenn aus Vertrauen Missbrauch erwächst und die Rache gleich mit. Das will so gespielt sein, dass Identifikation möglich wird, ohne ins Plakative abzurutschen. Die gezeigten Storys bleiben persönlich, es sind drei Perspektiven aus einer möglichen Vielzahl.

Gefühle von Ohnmacht und Kontrollverlust

Weit reicht die Skala der Empfindungen, Gefühle und Reaktionen, die sich aus der Bloßstellung im Netz ergeben. Schmerz, Ohnmacht, Vertrauensverlust, Ausgeliefertsein sind es nicht allein, da ist auch die Kraft, sich aus der Opferrolle herauszukämpfen, sich für seine Rechte einzusetzen. Es braucht den Mut und die Bereitschaft zum Mut, sich zu helfen und helfen zu lassen.
„Nudes – Nackt im Netz“ spricht ein schambesetztes Thema mit einer hohen Dunkelziffer an. Und aus der Ansprache wird unmerklich ein Appell, sich und andere zu schützen. Denn ein Opfer kennt immer einen Täter, ein Täter sucht immer ein Opfer.

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