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Gegen den Bild-Plus-Bericht über die Telefonate und WhatsApp-Nachrichten zwischen dem elfjährigen Überlebenden der Solingen-Tragödie und seinm 12-jährigen Freund gab es am Samstag bereits 50 Beschwerden beim Presserat.

© Tsp

Update

„Bild“-Bericht mit privaten Nachrichten von überlebendem 11-Jährigen: Boulevardzeitung nimmt Beitrag nach Beschwerden von der Seite

Das Blatt hatte private Nachrichten des Überlebenden der Solingen-Tragödie veröffentlicht. Jetzt reagierte es auf die massiven Beschwerden.

Die Tragödie von Solingen, wo fünf Kinder mutmaßlich von der 27-jährigen Mutter betäubt und erstickt wurden, ist nun auch zum Fall für den Presserat geworden. Ein sechstes Kind überlebte das Verbrechen und soll per Telefon und WhatsApp-Nachrichten Kontakt zu Freunden und Freundinnen aufgenommen haben.

Wie die Website „Bildblog“ nun berichtet, soll sich die „Bild“-Zeitung über einen Freund des überlebenden elfjährigen Jungen Zugriff auf die privaten Telefonate und Nachrichten verschafft haben. Der entsprechende "Bild"-Bericht war zunächst unter anderem auf der Homepage der Zeitung als kostenpflichtiger Plus-Text abrufbar. Während andere Stücke zum Tod der fünf Kinder auch später noch auf Bild.de zu finden waren, entschied sich die Redaktion offenbar, den Beitrag "Freund Max telefonierte mit dem Sohn, der überlebte" von der Seite zu nehmen. Seit Samstagnachmittag ist dieser Text dort nicht mehr zu finden.

Zuvor waren beim Presserat 50 Beschwerden wegen Verletzungen des Pressekodex eingegangen. Das teilte das Selbstkontrollgremium der Printmedien dem Tagesspiegel am Samstagmittag mit. Der Presserat wird von den Zentralverbänden der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger sowie von den Journalistenorganisationen DJV und dju getragen. Jedermann kann beim Presserat Beschwerden einreichen, über die die Beschwerdeausschüsse viermal jährlich entscheiden.

Der zwölfjährige Freund des überlebenden Jungen schilderte der „Bild“-Zeitung, „was er über die tödliche Tragödie in der Familie seinen besten Freundes“ weiß, wie das Boulevardblatt schrieb. Dazu wurden Zitate aus dem Telefonat und ein Screenshot einer WhatsApp-Nachricht veröffentlicht. „Bild“ bezeichnet die Nachrichten als „Schmerzensschrei und Hilferuf, wie sie schrecklicher nicht sein können“.

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Mit der Veröffentlichung dieser Nachrichten hat die zum Springer-Konzern gehörende Zeitung möglicherweise gleich gegen mehrere Richtlinien des Pressekodex verstoßen. In Ziffer acht ist der Schutz der Persönlichkeit geregelt. Dort wird unter anderem der Opferschutz behandelt. „Bei Familienangehörigen (…) sind Namensnennung und Fotoveröffentlichung in der Regel unzulässig“, heißt es dort.

"Auf unangemessene Sensationsberichterstattung verzichten"

Doch das ist nicht die einzige Richtlinie, gegen den die Veröffentlichung nach Ansicht der Beschwerdeführer verstößt. In der Präambel zur Ziffer elf des Presskodex über die Sensationsberichterstattung und den Jugendschutz heißt es ausdrücklich: „Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid. Die Presse beachtet den Jugendschutz.“ Dass die Mutter des zwölfjährigen Freundes bei dem Gespräch mit den „Bild“-Reportern anwesend und mit der Veröffentlichung der Nachrichten einverstanden gewesen sein soll, wie es in dem Bericht heißt, dürfte dabei nicht von Belang sein.

Verstöße gegen den Presskodex haben der „Bild“-Zeitung bereits in der Vergangenheit regelmäßig Rügen der Selbstkontrolleinrichtung der Presse eingebracht. Mit über 200 Rügen seit 1986 (Stand Ende 2019) stand „Bild“ bei der Anzahl der Rügen unangefochten auf dem ersten Platz der Statistik.

Die „B.Z.“ kam als nächste in der Rangfolge auf 21, der Kölner „Express“ stand mit 14 Rügen auf dem vierten Platz. 769 Rügen wurden insgesamt zwischen 1986 und 2019 ausgesprochen.

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