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Beruf: Krisenreporterin: „Reporter sind Social Networks“

Die RTL-Korrespondentin Antonia Rados spricht im Interview über die potenzielle Konkurrenz von Facebook, Interviews mit Diktatoren und über Ängste der Deutschen.

Frau Rados, Ihnen wurde am Dienstag in Berlin die Rainer-Hildebrandt-Medaille verliehen. In der Jury-Begründung hieß es, weil Sie sich gewaltfrei für Menschenrechte einsetzen würden. Eine ehrenvolle Auszeichnung, aber passt sie zu Ihrem Beruf? Sie sind Chefreporterin Ausland bei RTL.

Ich tue nichts anderes, als „das Recht der Menschen, die Welt über ihre Not zu informieren“, umzusetzen: Dies ist die Begründung der Jury. Sie werden sicherlich verstehen, dass ich nicht widerspreche.

Aber der Satz von Hanns Joachim Friedrichs, dass sich ein guter Journalist mit einer Sache nicht gemein machen solle, auch nicht mit einer guten Sache, stimmt weiter?

Menschenrechte sind keine „gute“ oder „schlechte“ Sache. In Krisengebieten sind sie ein notwendiger Kompass. Ein Krisen-Reporter kann über den Verstoß gegen Menschenrechte berichten – und dem Satz von Hanns Joachim Friedrichs trotzdem treu bleiben.

Immer wieder sieht es so aus, als kämen die klassischen Medien wie Print oder Fernsehen im Wettrennen mit den Social Networks wie Twitter oder Facebook zu spät. Täuscht das oder sind die Funktionen der genannten Medien zu unterschiedlich, um tatsächlich verglichen zu werden?

Da es auch nur Menschen sind, die twittern oder Fotos in Facebook-Seiten stellen, irren die sich genauso wie wir Reporter. Social Networks sind eine Ergänzung zu den klassischen Medien, kein Ersatz, schon gar kein perfekter.

Verändern die Networks aber Ihre Aufgabe?

Nur zum Teil. Reporter vor Ort sind ohnehin selbst Social Networks. Sie gehen zu Protesten, reden mit Demonstranten, berichten darüber, was sie hören und sehen. Die Arbeit eines Reporters ist heute genau die gleiche wie vor hundert Jahren.

Werden das westliche Publikum und auch die westlichen Medien nicht immer wieder von Entwicklungen unangenehm überrascht? Beispiel die Arabellion in Nordafrika, Beispiel der Sieg der Islamisten bei den Wahlen in Tunesien und in Ägypten.

Die Welt befindet sich derzeit im Aufbruch, entwickelt dabei eine ganz eigene Dynamik. Selbst in ruhigeren Zeiten Revolutionen vorauszusagen, gehört ins Arbeitsgebiet von Propheten, nicht von Reportern.

Ihrem Eindruck nach, Frau Rados: Was in der Welt, was an der Welt interessiert das deutsche Publikum jenseits von Deutschland und der Euro-Krise?

Im Moment überschattet die Euro-Krise verständlicherweise jede Entwicklung im Nahen Osten. Das sollte einen Reporter nicht daran hindern, weiter über die Krisenherde im Rest der Welt zu berichten, ohne Anspruch darauf, auf ständiges Interesse zu stoßen.

Sie haben Ahmadinedschad, Sie haben Gaddafi interviewt. Was versprechen sich die Diktatoren von einem Gespräch mit der RTL-Chefreporterin? Umgekehrt: Was haben Sie versprechen müssen?

Nichts, außer dass die Interviews gesendet werden. Hätte ich Gaddafi oder Ahmadinedschad etwas anderes versprochen oder versprechen müssen, hätte ich kaum die Fragen gestellt, die ich tatsächlich stellte. Ein Diktator ist beim Interview daran interessiert, der Welt seinen Standpunkt mitzuteilen – egal, ob er nun mit RTL redet oder mit der BBC.

Ihre US-Kollegin Barbara Walters war gerade zum Interview bei Assad in Damaskus. Schaffen Sie das auch noch?

Eine große Leistung von Barbara Walters, Gratulation! Ob ich es schaffe, bezweifle ich.

Wo in der Welt sehen Sie positive Entwicklungen, wo sehen Sie schwarz?

Obwohl die arabischen Revolten in Deutschland Ängste auslösen, sind sie eine Alternative zum islamischen Terrorismus. Der hatte ja vor allem unter der arabischen Jugend Anhänger. Genau diese Jugend ging nun auf die Straße, nicht für Osama bin Laden, sondern für mehr „Würde“. Insofern sehe ich da eine positive Entwicklung. Doch je länger das Blutvergießen in Ländern wie Syrien andauert, desto verhärteter werden die Fronten.

Pessimistisch bin ich beim möglichen militärischen Atomprogramm des Iran. Führt Teheran einen Atombombentest aus, wird im Nahen Osten ein neues Kapitel der Gewalt beginnen.

Das Interview führte Joachim Huber.

Antonia Rados, 58, ist seit 1995 Korrrespondentin und Chefreporterin Ausland von RTL. 2008 arbeitete sie ein Jahr für das ZDF. Die Österreicherin ist mit ihrem Lebensgefährten in Paris zu Hause.

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