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Stilles Wasser. Nach Bella Blocks Verschwinden wartet lauter Leben auf Hannelore Hoger. Lesungen absolvieren, nach Sylt fahren, oder, wenn sie es will, vom Theaterauftritt als Narr in Shakespeares „Lear“ träumen.

© ZDF und Hans-Joachim Pfeiffer

"Bella Block": Abschied von einer Ungezähmten

Anfang vom langsamen Ende: Hannelore Hoger schickt sich nach 23 Dienstjahren als „Bella Block“ in Pension.

Ein Ausstand ohne Peinlichkeit. Die Herbstsonne gibt ihr Bestes. Der Bau des Architekten Hadi Teherani, in dem das ZDF mit Blick auf den Hamburger Hafen residiert, erfüllt seine Aufgabe: Die Sonnenseite heizt die im Schatten. Alle Teilnehmer an diesem Pressetermin sind auf Wärme, Wehmut und Lebewohl gestimmt. „Bella Block“-Pensionistin Hannelore Hoger gibt die Rolle der abgeklärten TV-Größe. Nur über die Überschrift auf dem ZDF-Programmheft könnte man streiten: „In Hamburg sagt man Tschüss“. Geht da etwa eine Hamburgensie?

Alle wissen es besser. Salut für eine Fernsehinstitution, die ganz Krimideutschland verändert hat. Eine überfällige Provokation zuerst, ein weiblicher Vulkan, der den Männermief aus dem deutschen Krimi wegsprengte und schließlich eine Bastion weiblicher Schauspielkunst, die sich niemals mit der Brutalität des Mordens abfinden will. In dem wunderbaren Brandenburg-Roadmovie „Stille Wasser“ (Buch: Beate Langmaack, Regie: Jo Baier) sehen wir die inzwischen 75jährige Schauspielerin so präsent wie eh und je. Da sucht eine Frau das Wichtigste, was es im Seniorenleben gibt: ein vernünftiges Bett. Nicht um zu sterben, sondern um es gut zu haben.

4 000 Euro soll sie für ein gutes Möbel hinlegen. Sie ist alt, aber nicht blöd. So geht sie im deutschen Osten auf die Suche, und wir Zuschauer wissen schon, was sie unterwegs mit ihrem VW-Cabrio finden wird: kein Bett, sondern eine Gewalttragödie. In der Kleinstadt Grahlsee, wo es den Landgasthof „Nase“ im unverfälschten DDR-Look gibt und als Original-Westimport das Erotiklokal „Cherie“, eine Autowerkstatt ohne schnell verfügbare Ersatzteile, dazu die im Nachttisch neben Blocks Hotelbett liegen gelassene Fontane-Erzählung „Irrungen und Wirrungen“, wohnt das Böse. Es ist angerührt. Bella Block wird in der Wirklichkeit aufklären, was viel brutaler und unvernünftiger geschehen ist als das, was Fontane erzählt. Zum Begräbnis eines plötzlich Gestorbenen pilgern Unschuldige und Schuldige.

Eine überfällige Kreation gegen die Männerherrschaft im Fernsehkrimi

Eine entspannte Mördersuche darf es eigentlich nicht geben, schon gar nicht bei einer ewig alarmbereiten Jägerin, wie sie Bella Block auch nach ihrer Pensionierung geblieben ist. Aber Langmaack und Baier ist das Wunder gelungen, in die Geschichte so etwas wie Heimatsentimentalität und weise Heiterkeit zu mischen. Baier („Der Laden“) erweist sich wieder einmal als Meister einer nicht ironisierenden Milieu-Zeichnung (Kamera: Stefan Unterberger). Langmaack („Die Konfirmation“) schildert die Menschen im Osten nicht als innerlich abgestorben, putzig und zurückgeblieben, sondern als in der gleichen inneren Not gefangen wie überall dort, wo Gier das Leben zerreißt.

Es fällt auf: Eine Figur wie Bella Block ist als scharfer und nie in Richtung Überheblichkeit verzerrender Seelenspiegel aus dem Westen auch im Osten am richtigen Ort. Sie ist einfach eine gute Erfindung mit guten Genen. Die Geburt der TV-Serienfigur geschah am 26. März 1994 unter dem Titel „Bella Block - Die Kommissarin (1)“, Drehbuch und Regie: Max Färberböck. Eine überfällige, aber nicht risikolose Kreation gegen die Männerherrschaft im Fernsehkrimi. Als nervensägende Heroldin weiblicher Emanzipation hätte es Bella Block nicht auf 38 Filme gebracht, wohl auch nicht dadurch, dass sie motzte, tobte und soff, wenn ihr danach war.

Sie eroberte sich vielmehr im Verein mit kreativen Mitstreitern das Genre Fernsehkrimi und bewies: Das Besetzen einer Männerdomäne ist mehr als bloßer Austausch des Geschlechts. An der Wiege dieser mütterlichen Wölfin im Jägerpelz einer Polizistin stand die Roman-Vorlage von Doris Gercke, der die Figur einer ungezähmten Frau eingefallen war. Färberböck, Dramaturg bei Peter Zadek, hielt dessen großartiges Exhibitionstheater zu Recht für eine Erneuerung auch auf dem Schirm. Hinzu kamen die Unternehmerin Katharina Trebitsch (Objektiv Film) und ihre Produzentin Jutta Lieck-Klenke, die beide aus der Verfilmung des Romans „Die Bertinis“ das Potential der Hoger kannten. Und ihnen gegenüber: mutige ZDF-Leute wie Hans Janke, Reinhold Elschot und der bald zum Dauerbetreuer der Serie werdende Redakteur Pit Rampelt.

Ein Coup mit Langzeitwirkung war das. Er löste eine Explosion von Schauspielkunst aus. Fast alle deutschen Fernsehdarsteller von Klasse traten in „Bella Block“ auf. Ein Raum für Ensemble war geschaffen. Ein neues weibliches Narrativ vom Bösen entstand, wonach in jedem Verbrecher eine enttäuschte Seele steckt, die eine Polizeifrau als Angriff auf mütterliche Gerechtigkeit begreift und mit jeder Faser des Gefühls verstehen lernen muss, ehe sie agiert.

Bevor nun beim Termin in Hamburg ein 20minütiges Bildgewitter mit Schnipseln aus „Bella Block"-Filmen vor den Journalisten losbricht, verabschiedet sich Hoger für die Dauer der Vorführung. Klingt alles nach Nachruf und Vermächtnis. Sollte es nicht. Nach Blocks Verschwinden wartet lauter Leben auf Hannelore Hoger. Lesungen absolvieren, nach Sylt fahren, wenn sie es will, vom Theaterauftritt als Narr in Shakespeares „Lear“ träumen. Ob ein bequemeres Bett Ziel ihrer Wünsche ist, lässt sie offen.

„Bella Block“, Samstag, ZDF, 20 Uhr 15

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