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Nur Erfolg zählt. Jerry Buss (John C. Reilly) will mit den Lakers an die Spitze.

© HBO

Basketball-Biopic: Showtime!

Die HBO-Serie „Winning Time“ erzählt den Aufstieg der L.A.Lakers - vor allem erzählt sie die Geschichte vom Lakers-Macher Dr.. Jerry Buss.

Film und Fernsehen sind nicht allzu voll von impertinenten Figuren, die den Rest des Ensembles in den Schatten stellen und gerade dadurch zum Leuchten bringen. James Gandolfini gelang dies als Tony Soprano so gut, dass er drei Emmys gewann. Ohne den Weltall-Hallodri Han Solo wäre „Star Wars“ bloß Science-Fiction und „House of Cards“ ohne Claire Underwood ein weiteres Politdrama mit weiblichen Accessoires. Sie alle aber werden nun überstrahlt.

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Bühne frei für Jerry Buss. Dr. Jerry Buss. Darauf besteht das fiebrige Herz der HBO-Serie „Winning Time“ bei Sky. Mit seinem Doktor in physikalischer Chemie hatte er einst gutes Geld in der Luftfahrtindustrie verdient, bevor Buss als Immobilienhändler genug davon hatte, um die Los Angeles Lakers zu kaufen – 1979 ein abgehalftertes Basketballteam, das nach sechs Finalniederlagen in den 1960ern auf bessere Zeiten hoffte.

[„Winning Time“, Sky Atlantic HD, Montag, zwei Folgen. ab 2. Mai wöchentlich eine neue von zehn Folgen]

Promotion und Praxis waren damals eigentlich zu lang her, um weitere Bedeutung fürs Sex'n'Drugs'n'Rock'n'Roll-Leben des Selfmade-Millionärs aus dem Mormonen-Staat Utah zu haben, aber hey – Dr. Buss ignoriert offizielle Weihen so, wie er alle Standards bürgerlicher Etikette missachtet und damit, wie erwähnt, zur vielleicht grandiosesten Serienfigur der TV-Historie avanciert. Denn „Winning Time“ erzählt die Geschichte, wie Dr. Jerry Buss Geschichte schrieb.

Buss wollte nicht nur rasch Meister werden. Er wollte Hollywood, er wollte Glamour, er wollte Party, er wollte Drama, er wollte Sex (fast) ohne Drugs, dafür umso mehr Rock'n'Roll, in einem Wort: er wollte „Showtime“. So lautet auch der Titel von Jeff Pearlmans Sachbuch „Magic, Kareem, Riley and the Los Angeles Lakers Dynasty of the 1980s“, die 2014 in den Bestsellerlisten stand.

Zehnteiliges Dokudrama

Acht Jahre später machen die Showrunner Max Borenstein und Jim Hecht daraus ein zehnteiliges Dokudrama, das ihr Regisseur Adam McKay sogar noch weiter aufbläst als die ohnehin schon schillernde Realität. Was wiederum vor allem an John C. Reilly liegt. Hierzulande 2002 als schlagkräftiges Mitglied von Martin Scorseses „Gangs of New York“ bekannt-geworden, verleiht er dem Investor Jerry Buss mit Pornobrille, Gangstergrinsen und tief geknöpftem Butterflyhemd eine Form von liebenswerter Schmierigkeit, die ihresgleichen sucht.

Sein Masterplan ist eine Herzensangelegenheit. Dafür engagiert der Teambesitzer das Talent Earvin Johnson (Quincy Isaiah), der sich den Zusatz „Magic“ erst noch verdienen muss, um mit Clublegende Kareem Abdul-Jabbar (Solomon Hughes) ein Dreamteam zu bilden.

Highligth der Saison

Nur Monate nach seiner Apokalypsenkomödie „Don't Look Up“ entzündet McKay ein Feuerwerk mit Pearlmans Buch, das in stillen Momenten an Heist-Movies wie „Ocean's Eleven“ erinnert, in wilden an Drogentrips, deren Rauschmittel selbst Abstinenzler neugierig machen. Die Bildauflösung wechselt fröhlich zwischen digitaler Gegenwart und grobkörniger Vergangenheit.

Weil Kostüme und Kulisse wirken, als wäre das Personal von Adrien Brody bis Sally Field in die 1970er zeitgereist, gab es zwar Vorwürfe oberflächlicher Effekthascherei; schon der bedrückende Einstieg aber, bei dem Magic Johnson seine HIV-Diagnose erhält, zeugt von soziokultureller Sachlichkeit, die sich hinter der Fassade einer durchgeknallten Optik verbirgt. Schließlich schildert „Winning Time“ nicht nur das Anschwellen einer Sportart zum Showbiz. Es geht auch um rassistische, sexistische, kapitalistische Männerbünde, gegen die sich Jerry Buss mit Tochter Jeanie (Hadley Robinson) und Assistentin Claire (Gaby Hoffman) behaupten musste. Dieser funkensprühende Mix aus Sportfilm und Kostümserie, Gesellschaftsporträt und Seriengroteske, Historytainment und Charakterstudie macht „Winning Time“ schon jetzt zum Highlight der Saison.

Jan Freitag

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