zum Hauptinhalt
Ermittlungen in herzlicher Abneigung: Großstadt-Detective Jay Swan (Aaron Pedersen) und Kleinstadt-Sheriff Emma James (Judy Davis).

© ZDF/John Platt

Australische TV-Serie: Schuld und Sühne im Outback

Die preisgekrönte australische Serie „Mystery Road“ ist ein wilder Genre-Mix aus Cop-Movie, modernem Western und Thriller.

Da prallen zwei Welten aufeinander: als auf der großen Ballantyne-Rinderfarm nahe der Kleinstadt Patterson zwei junge Männer wie vom Erdboden verschluckt scheinen, da wird Detective Jay Swan (Aaron Petersen) ins australische Outback geschickt, um den Fall aufzuklären. Doch vor Ort führt die ansässige Polizei-Chefin Emma James (Judy Davis) ihr strenges Regiment und ist es gewohnt, die Regeln klar vorzugeben. Als der Lonesome-Detective Swan eintrifft, liegt Spannung in der Luft. Die beiden betreiben die schwierigen Ermittlungen in herzlicher Abneigung zueinander. Das ist die Ausgangssituation der sechsteiligen, von Regisseurin Rachel Perkins konzise inszenierten Serie „Mystery Road“, die 2018 von der Australian Academy of Cinema and Television Arts als Best TV Drama Series gekürt wurde. Zu Recht.

Jay Swan und Emma James, dieses denkbar ungleiche Gespann, begeben sich auf die Suche nach den beiden vermissten Männern, dem Aborigine Marley Thompson und dem Weißen Reese Dale. Wieso steht der Wagen der beiden jungen Männer mit sperrangelweiten Türen und laufendem Motor mitten in der Weite der Prärie? Und wieso verlieren sich ihre Spuren so sehr, dass die Kreise, die die beiden Ermittler ziehen, nicht nur immer größer werden, sondern zugleich auch immer undurchdringlicher. Warum hüllen sich so viele der Einwohner des kleinen Patterson lieber in Schweigen? Ganz gleich, wen Swan und James befragen, der Kreis der Verdächtigen scheint von Tag zu Tag größer zu werden.

Jeder scheint verdächtig

Jeder scheint etwas zu wissen, jeder scheint irgendwie mit einem der beiden Verschwundenen zu tun zu haben. Da ist die junge Shevorne (Tasia Zalar), die in einer Bar als Bedienung arbeitet und die Freundin des verschwundenen Reese ist. Shevorne ist es auch, die vor zehn Jahren vergewaltigt worden ist, von Larry Dime (Wayne Blair), der gerade aus der Haft entlassen wird und nach Patterson zurückkehrt. Derweil lassen den eigenbrötlerischen Detective Jay Swan seine privaten Probleme nicht los: erst steht seine Tochter Crystal (Madeleine Madden) unangemeldet vor der Motel-Tür, später taucht auch seine Noch-Ehefrau auf.

„Mystery Road“, von insgesamt vier Drehbuchautoren und -Autorinnen geschrieben und im Sommer 2018 erstmals von der australischen ABC ausgestrahlt, ist elliptisch und auf äußerst kluge, intelligente Weise erzählt. Von Folge zu Folge dieser Staffel baut sich die Spannung trotz der betont langsamen, geradezu gemächlichen Erzählweise auf, bis sich schließlich alles in der finalen Folge entlädt. Das entschleunigte Erzähltempo fordert seine Eingewöhnung, doch ist man erst einmal im narrativen Rhythmus und sympathisiert erstaunlicherweise mit den doch recht spröden Charakteren, lässt einen diese komplexe, sehenswerte „Mystery Road“-Staffel mit ihrem wilden Genre-Mix aus Cop-Movie, modernem Western und Thriller nicht mehr los.

Die Schauspieler dieser Serie – in der es letztlich um Schuld und Vergebung geht – sind wunderbar gecastet: Allen voran Judy Davis, nicht zuletzt aus gleich fünf Woody-Allen-Filmen bekannt, darunter der meisterliche „Ehemänner und Ehefrauen“ (1992), die im Verlauf des Geschehens den weichen Kern freilegt, der hinter ihrer verkrusteten Schale steckt. Kongenialer Partner hierbei ist ihr Aaron Petersen, wie Davis ebenfalls gebürtiger Australier, der sie in seiner Rolle genau spiegelt.

Parallelen zu "Broadchurch"

„Mystery Road“ ist in vielfacher Hinsicht einer ganz anderen Serie wesensverwandt, obgleich diese im snobby Südengland angesiedelt ist und es dort um den Mord an einem elfjährigen Jungen geht: „Broadchurch“. Dort wie hier treffen zwei gegensätzliche Ermittler aufeinander, die mit ihrer schrägen, unorthodoxen Art doch die Sympathien der Zuschauer bekommen. In „Broadchurch“ wie in „Mystery Road“ hängt alles mit allem zusammen, kennt jeder jeden, ist am Ende schlichtweg jeder verdächtig, bringt die Auflösung letztlich ein regelrecht kathartisches Zusammenbrechen des Kartenhauses mit sich.

Das Schöne an „Mystery Road“ mag aber auch sein, das immer spürbar ist, dass es sich um Menschen handelt, die von ihren Wünschen, Sehnsüchten, Ängsten angetrieben werden. So auch die beiden Ermittler. Und beide sind am Ende dieses schweren, dunklen Falls nicht mehr dieselben Menschen. Sie sind ein Stück weit mehr bei sich angekommen.

„Mystery Road“, 6-Teiler, Arte, Donnerstag und 6. Juni, jeweils ab 20 Uhr 15

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false