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Im „Summer of Voices“ spannt Arte ab Freitag (21 Uhr 50) einen weiten Bogen von Frank Sinatra über David Bowie bis zu Amy Winehouse. Dazu gehört auch die Doku zu „Back to Black“ am 23. Juli um 20 Uhr 15 über die Entstehungsgeschichte ihres wohl bekanntesten und meistgefeierten Albums.

© Mercury Studio/Arte

Arte-Schwerpunkt „Summer of Voices“: Body and Soul

Von Frank Sinatra über David Bowie bis zu Amy Winehouse: Im „Summer of Voices“ feiert Arte die Kraft der Stimme mit Dokus, Konzertmitschnitten und Porträts.

Auf den „Summer of Dreams“ folgt beim französisch-deutschen TV-Sender Arte ab Freitag der „Summer of Voices“. Mit einer Vielzahl teils sehr sehenswerter Dokus, Filmbiografien und Mitschnitten legendärer Konzerte steht das Klangwunder der menschlichen Stimme in all ihrem Facettenreichtum im Zentrum. Alles, was Rang und Namen sowie zwei Stimmbänder und musikalisches Talent hat und im weitesten Sinne – so auch Frank „The Voice“ Sinatra – zur jüngeren Pop-Geschichte zu zählen ist, kommt in diesem sommerlich-bunten Kaleidoskop vor.

Eröffnet wird der „Voices“-Reigen durch den 100-minütigen Doku-Zweiteiler „Die magischen Stimmen des Pop“, in dem Filmautor Werner Lackner im ersten Teil „Die Erfindung der Popstimme“ skizziert und im sich anschließenden Teil zwei „Die Popstimmen im digitalen Zeitalter“ analysiert. Dabei ist Teil eins der weitaus interessantere, spannendere, auch profundere, wird hier doch der weite Bogen von Frank Sinatra über Bob Dylan, Billie Holiday, Jim Morrison, Michael Jackson, David Bowie und vielen anderen bis hin zu George Michael und schließlich Amy Winehouse gespannt.

[„Summer of Voices“, Arte, ab Freitag, 21 Uhr 50]

Dabei werden nicht nur seltene zeithistorische Archivaufnahmen montiert, die einige der Sänger und Sängerinnen etwa bei Studio-Aufnahmen zeigen, es werden auch diverse Interview-Partner und -Partnerinnen vor der Kamera zum Phänomen der Popstimme befragt.

Hörbar angefasst: Jan Delay

Ein hörbar angefasster Jan Delay erzählt von seiner Verehrung für George Michael, von dessen annus horribilis, in dem binnen kurzer Zeit Michaels Freund, ein weiterer Freund sowie Michaels Mutter sterben, George Michael eigentlich nicht mehr kann, dann doch ermutigt wird, und draußen auf der Bühne, vor Zehntausenden, mit seiner Stimme all seine Trauer hinaussingt. Das ist ein sehr schöner, sehr leiser, sehr berührender Jan-Delay/George Michael-Moment.

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Oder Jens Balzer, ausgewiesener Musikexperte, der kompetent immer wieder Fußnoten zu einzelnen dieser Stimmen setzt, etwa zu dem vollkommen haltlosen, irrlichternden Jim Morrison und The Doors – kürzlich jährte sich Morrisons Tod zum 50. Mal –, zur Schwarzen Soul-Stimme von Billie Holiday, die seinerzeit in „Strange Fruit“ an Bäumen aufgeknöpfte Schwarze besang, und auch zu Ian Curtis von Joy Division, fasziniert von dieser alten, reifen, zugleich tieftraurigen Stimme des damals gerade erst Anfang zwanzigjährigen Division-Frontmanns. Hierzu laufen der Song und die Bühnen-Bilder zu „She’s Lost Control“, und es ist nachvollziehbar, warum jemand spürbar berührt von diesem Retro-Moment der eigenen Entdeckung erzählt, der bis heute nachhallt.

Es sind solche Sequenzen, die vor allem den ersten Teil von „Die magischen Stimmen des Pop“ überaus sehenswert machen. Der zweite Teil beschäftigt sich daraufhin mit der Entwicklung der letzten Jahre, damit, dass heute die große Stimme nunmehr zweitrangig sei, es vielmehr um „die Message“ gehe, die angesichts von strukturellem Rassismus und sozialen Schieflagen wichtiger denn je scheine.

Es ist eine Entwicklung von Technik und Zeitgeist, hin zur Cyborgisierung, die ihre Ursprünge in verfremdenden Stimmeffekten à la „Auto-Tune“ und „Voice box“ hat. So geht es von Kraftwerk über Stevie Wonder, Giorgio Moroder – und auch Prince – zu jungen Pop-Schaffenden, die durch „Auto-Tune“ überhaupt Gehör finden und letztlich austauschbar sind, beliebig.

Magische Stimmen: Janis Joplin und Amy Winehouse

„Authentisch sein und sich selbst verlieren – das liegt nah beieinander“, heißt es einmal im Off-Kommentar von „Die magischen Stimmen des Pop“, und es ist dort auf Janis Joplin und „the one and only“ Amy Winehouse bezogen. Letzterer wird – neben all den vielen anderen „Summer of Voices“-Beiträgen, darunter auch Filmbiografien wie „Ray“, „Florence Foster Jenkins“ oder „Soeur Sourire. Die lächelnde Nonne“ – ein ganzer Winehouse-Abend gewidmet, an ihrem 10. Todestag, dem 23. Juli: zwei jeweils einstündige Dokumentationen, darunter eine Erstausstrahlung.

Die Ausnahme-Sängerin aus dem Norden Londons, im Juli 2011 im Alter von nur 27 Jahren gestorben, ist in der Dokumentation der BBC-Reihe „Classic Albums“ bei der aufreibenden Arbeit an ihrem legendären „Back to Black“-Album (2006) in überwiegend unveröffentlichten Studio-Aufnahmen, entstanden in Miami und New York, zu sehen.

„Back to Black“, über 20 Millionen Mal verkauft und Winehouses erfolgreichstes Album, markiert ihren endgültigen Durchbruch. Im Studio – unmittelbar, direkt, ungefiltert – wird die tiefe Labilität und Zerrissenheit dieser Künstlerin ebenso spürbar wie das beeindruckende Stimmtalent, über das sie verfügte.

Der BBC-Doku folgt ein Live-Mitschnitt des Konzertes im Londoner Shepherd’s Bush Empire von 2007. Längst schon haben sie ihre Alkohol- und Drogen-Exzesse gezeichnet, längst schon ist ihr kurzes Leben ins Wanken geraten. In London steht sie auf der Bühne und singt sich mit all ihrer unbändig wirkenden Kraft ihre zerbrechliche Seele aus dem Leib. Was für eine Stimme in diesem „Summer of Voices“!

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