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Von wegen Nollywood. Laura (l.) und Sandra blicken voller Hoffnung auf ihre Zukunft in Spanien, auf der anderen Seite des Meeres.

© Arte

Arte-Reihe „Generation Africa“: Migration, anders betrachtet

Arte zeigt 25 Dokumentarfilme von afrikanischen Autorinnen und Regisseuren in der Reihe „Generation Africa“.

Auch der Nigerianer Ike Nnaebue wollte nach Europa. Mit Freunden brach der 18-Jährige Mitte der 1990er Jahre zur „Reise unseres Lebens“ auf. Er erinnert sich an die „leise Angst“, die ihn bei der Ankunft an jedem neuen Ort überkam. Und neue Orte gibt es zwischen Lagos, der Hauptstadt Nigerias, und dem mehr als 6000 Kilometer entfernten Tanger an der marokkanischen Mittelmeerküste mehr als genug.

Doch als Nnaebue in Malis Hauptstadt Bamako das erste Mal von Menschenhandel und anderen Gefahren hörte, änderte er seine Pläne. „Ich liebe Bamako“, dort habe sein neues Leben begonnen, sagt er in seinem Dokumentarfilm „Lagos – Tanger: Reise ohne Rückfahrschein“, der am Dienstag die Arte-Reihe „Generation Africa“eröffnet. (Arte-Reihe „Generation Africa“: vier Filme, Dienstag, ab 20 Uhr 15; zwei Filme, Mittwoch, ab 22 Uhr 05 und in der Arte-Mediathek)

Bei seinem persönlichen Aufbruch ins Ungewisse bog Nnaebue vom frankofonen Mali ins englischsprachige Gambia ab, fand Arbeit und begann eine Karriere als Filmemacher. Heute zählt der 1975 geborene Regisseur zu den wichtigsten Vertretern des nigerianischen („Nollywood“) und afrikanischen Kinos.

Für die Reihe „Generation Africa“ wiederholte er die nicht vollendete Reise mehr als 20 Jahre später mit der Kamera – und mit Neugierde auf die Menschen, die heute auf der Route durch Westafrika unterwegs sind. Das eindringliche und zugleich entspannte dokumentarische Roadmovie war auch bei der Berlinale unter dem Originaltitel „No U-Turn“ zu sehen.

Die Reihe „Generation Africa“ bietet beim Thema Migration einen Perspektivwechsel: Alle 25 Dokumentarfilme sind von afrikanischen Autorinnen und Regisseuren aus 16 verschiedenen Ländern gedreht worden.

Das Projekt geht auf die Initiative der gemeinnützigen Organisation Steps in Kapstadt zurück, die sich der Förderung von Dokumentarfilmen verschrieben hat. Finanzielle Unterstützung leisteten die Deutsche Welle Akademie, die Robert Bosch Stiftung und das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit.

Ganz nah zoomt die Kamera an ihre Narben

Entstanden sind facettenreiche, bildstarke und keineswegs nur düstere Filme über das Leben in verschiedenen Regionen. Wenn man einen gemeinsamen Nenner finden will, dann ist das die Hoffnung auf ein besseres Leben, die die Menschen vereint – und in Bewegung setzt, womit längst nicht immer nur die Flucht nach Europa gemeint ist.

So erzählt die Regisseurin Akuol de Mabior in „Rückkehr ins Land meiner Mutter“ (Dienstag, 23 Uhr 35) von den Verhältnissen im Südsudan und von ihrer mit dem Unabhängigkeitskampf eng verbundenen Familie. Der Film war unter dem Titel „No Simple Way Home“ zur Berlinale eingeladen, ist aber bei Arte nur in einer kürzeren, 52-minütigen Fernsehfassung zu sehen – eine Folge des Programmschemas mit seinen festen Sendeplätzen.

Das gleiche Schicksal ereilt „The last Shelter“ von Ousmane Samassékou, der bei Arte in einer gekürzten Version unter dem Titel „Die letzte Zuflucht“ (Dienstag, 21 Uhr 50) ausgestrahlt wird. Der Regisseur aus Mali drehte im „Haus des Migranten“ in Gao, wo Menschen betreut werden, die die Durchquerung der Sahara planen oder daran bereits gescheitert sind und nun in ihre Heimat zurückkehren wollen.

Samassékou erzählt in ruhigen Bildern von diesem Rückzugsort. Mehr „Action“ bietet der fantastisch fotografierte Film „Neue Boote, leere Netze“ (Dienstag, 22 Uhr 45) über das Leben der Fischer in Sierra Leone. Regisseur Barmmy Boy nimmt das Publikum buchstäblich mit an Bord der langen, schmalen Boote und schildert eindrucksvoll, wie die Lebensgrundlage der Menschen durch chinesische Fangflotten, eine Überflutung nach Starkregen und schließlich den Corona-Ausnahmezustand bedroht wird.

Eine große Nähe zu ihren Protagonisten schafft auch die Regisseurin Aicha Macky, die aus Zinder stammt, der zweitgrößten Stadt in Niger. Dies ermöglichte ihr den Zugang zu den jungen Männern, die sich in Kara-Kara, dem ärmsten Viertel der Stadt, in rivalisierenden Gangs organisieren. Verblüffend und verstörend offen berichten sie in „Zinder“ (Mittwoch, 22 Uhr 05) von ihren Gewalterfahrungen und auch den eigenen Missetaten und Verbrechen.

Ganz nah zoomt die Kamera an ihre Narben, intensiv ist das filmische Erleben ihres Alltags zwischen Fitnesstraining, Benzinschmuggel, und der unsichtbaren, aber stets präsenten Bedrohung durch die Islamisten von Boko Haram.

Ein Hauch deutscher Geschichte verirrt sich auch nach Kara-Kara. Eine der Gangs hat sich den Namen „Hitler“ gegeben. Weil der so ein „furchterregender Krieger“ gewesen sein soll, hört man einen der Männer aus dem Off sagen. Allerdings glauben sie, dass dieser Hitler „so ein Typ aus Amerika“ ist.

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