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Vor dem Aufbruch. Beate (Katrin Röver) und ihr Mann Omid (Reza Brojerdi) suchen ihre Zukunft im Iran.

© dpa

Arte-Film über die private Seite der Iranischen Revolution: Keine Heimat. Nirgends

Das politische Liebesdrama „Morgen sind wir frei“ geht zurück ins Jahr der Iranischen Revolution 1979.

„Diese Erde ist wunderschön. Aber sie ist nicht meine Heimat“, steht auf der Platte. Beate (Katrin Röver) versucht, die Zeilen zu lesen, die ihr Ehemann Omid (Reza Brojerdi) ihr gerade zum Hochzeitstag geschenkt hat. Die Zeilen stehen auf Iranisch darauf, Beate bittet Omid, sie ihr zu übersetzen. Es ist eine Schallplatte jenes Konzertes, auf dem sie sich kennengelernt haben, damals, vor über zwölf Jahren. Inzwischen haben sie eine achtjährige Tochter, Sarah (Luzie Nadjafi) und leben ihr ruhiges Leben. Dieses Leben führen sie in der DDR, in Ost-Berlin, es ist das neu angebrochene Jahr 1979. Dann geschieht es: Im Fernsehen sind die Bilder aus Teheran zu sehen, von der Iranischen Revolution wird berichtet, vom Sturz des Schahs, und dass der im Pariser Exil lebende Ajatollah Khomeini ihm nachfolgen wird. Auch im Leben von Beate und Omid wird sich bald alles verändern.

„Morgen sind wir frei“, geschrieben und inszeniert von Hossein Pourseifi, selbst Iraner, dort 1976 in Teheran geboren und im Alter von neun Jahren nach Deutschland gekommen – basiert auf wahren Begebenheiten. Es ist dieses Moment des Authentischen, das diese Erstausstrahlung noch sehenswerter macht.

[„Morgen sind wir frei“, Arte, Mittwoch, 20 Uhr 15]

Denn Omid, euphorisiert durch die Freiheit und Meinungsfreiheit und womöglich gar Demokratie verheißende Revolution, will unbedingt in den Iran zurück und Ost-Berlin verlassen. Ganz verlassen. Seine Frau und seine kleine Tochter sollen mit. Beate, die als Chemikerin arbeitet und an ihrer Promotion sitzt, deren Einreichung erneut abgelehnt wird, da ihre Kenntnisse in Marxismus und Leninismus noch immer nicht ausreichen, möchte bleiben. Mit der Zeit allerdings gelingt es Omid, seine Frau doch zu einem neuen Leben im neuen Iran zu bewegen – sie verlassen ihre Heimat, die nie so ganz Omids Heimat war, und siedeln mit Tochter Sarah nach Teheran über.

Die Angst, was draußen passiert

Was der Film „Morgen sind wir frei“ – berührend in seiner zurückgenommenen Narration – zum Thema hat, ist die Beeinflussung des Privaten durch das Politische. Beate registriert, was es mit dieser Revolution auf sich hat. Sie bemerkt es zunächst an den kleinen Zeichen. Da ist etwa die attraktive Sekretärin im Chemischen Institut, die sich kürzlich noch zur Mittagspause den Lippenstift nachgezogen und die Haare frisiert hat. Nun trägt sie keinen Lippenstift mehr, dafür Kopftuch, und die Angst steht ihr ins Gesicht geschrieben. Die Angst davor, was draußen geschieht: Menschen verschwinden, die kleine Zeitung, in der Omid als Redakteur tätig ist, muss ihre Texte prüfen und alles gemäß den Richtlinien des Staates verfassen, Tochter Sarah muss in der Schule Kopftuch tragen und Koranverse rezitieren.

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Früher als Omid sieht Beate, dass die Suppressionen zunehmen, die Angst um sich greift, Gewalt und Willkür wachsen. Sie möchte zurück, mit Tochter Sarah. Die Familie steht vor einer Zerreißprobe.

„Morgen sind wir frei“ führt in Setting und Dekor zurück in die späten 1970er, frühen 1980er Jahre, in eine Zeit, die tatsächlich schon 40 Jahre zurückliegt. Für den Iran bedeutet diese Zeit eine Zäsur, einen Epochenwandel. In Deutschland, Ost wie West, wird er 1989 kommen. Hossein Pourseifi skizziert das übergeordnet Große und das individuell Kleine in einer Parallel-Erzählung, er skizziert es sorgsam und detailliert, vor allem aber ist sein Film vom ersten Moment an ebenso glaubwürdig wie bewegend. Hier wird ein Lebensschicksal erzählt, die Biografie einer jungen Familie vor dem Hintergrund politischen Weltgeschehens. Beate und Omid kommen aus zwei unterschiedlichen Kulturen. Sie lieben sich. Und doch steht so vieles zwischen ihnen. So sind es diese beiden kurzen Zeilen Omids an seine Beate, die über ihrer Liebe schweben wie ein Damokles-Schwert: „Diese Erde ist wunderschön. Aber sie ist nicht meine Heimat.“

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