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Geboren als Ferenc Hoffmann in Ungarn, knapp den Nazis entkommen, gefeiert in Deutschland als Ephraim Kishon für seine Satiregeschichten über Israel.

© Privat

Arte-Dokumentation: Ein ganz privater Ephraim Kishon

Er war logisch und präzise. Er arbeitete bis zu 18 Stunden am Tag und die Deutschen liebten ihn. Bei Arte gibt es eine neue Doku über den israelischen Bestsellerautor Ephraim Kishon.

Es ist das Jahr 1981. 35 Jahre nach Kriegsende kehrt Ephraim Kishon, nun 57, an den Ort zurück, in dem der Mann noch immer lebt, der ihm, seiner Schwester Agnes und seinen Eltern das Leben gerettet hat. Damals, während des Zweiten Weltkriegs in Ungarn.

Es grenzt an ein Wunder, viele andere Familienmitglieder kommen ums Leben. Der Mann ist ein Ungar mit Namen Josef, er ist der ehemalige Nachbar aus einstmals friedlichen Tagen. Ein alter, einfacher Mann mit gegerbtem Gesicht und einer sehr großen langen Nase.

Der Nachbar hat Kishons jüdische Familie in Budapest versteckt, hat sie mit Nahrung versorgt, hat alles für sie getan. Ein Kamerateam ist bei dem Besuch mit dabei, und der Moment der Wiederbegegnung ist am Mittwochabend auch in Dominik Wesselys neuer Dokumentation „Lachen, um zu überleben. Ephraim Kishon“ auf Arte zu sehen.

Auf einem Platz geht Kishon mit ausgebreiteten Armen auf den Mann zu und sie umarmen sich, immer wieder. Erst stehen sie da und halten sich, da laufen dem Mann, der Kishon gerettet hat, bereits die Tränen. Dann sitzen sie nebeneinander draußen an einem Tisch – und Kishon bricht in sich zusammen. Weint. Wischt sich mit den Händen immer wieder über das Gesicht. Ist voller Rührung. Ist zutiefst angefasst.

Es ist durchaus möglich, dass einem dabei nicht selbst die Tränen kommen. Allein schon dieser seltenen historischen Sequenzen wegen ist Wesselys neues behutsames – und zu kurzes – Doku-Porträt sehr sehenswert. Dann steht Kishon da, die Kamera läuft noch immer, und einen kurzen Moment lang wirkt er gefasst und sagt: „Ich kann es nie zurückzahlen.“ Dann kommen ihm erneut die Tränen. Er wendet sich ab, geht aus dem Bild.

Die beste Ehefrau von allen

Tochter Renana Kishon erinnert sich heute vor der Kamera an diese schicksalhafte Wiederbegegnung ihres zu dieser Zeit schon berühmten Vaters mit seinem Lebensretter, dem Retter seiner Familie. „Jemand, den du als logische, präzise kontrollierte und zurückhaltende Person kennst, so ein stolzer Österreich-Ungar, mehr Ungar natürlich als Österreicher, und dann erlebst du, wie dieser große stolze Mann in Scherben zerfällt und weint wie ein kleines Kind.“

Wesselys Dokumentation geht den Lebensweg dieses großen Humoristen, Autors und Regisseurs ab. Einige Lebensstationen Kishons werden durch animierte Trickfilmsequenzen erzählt. Die Doku zeichnet Kindheit und Jugend des 1924 in Budapest geborenen jüdischen Ungarn nach, der eigentlich Ferenc Hoffmann heißt und während seines Lebens drei Namen haben wird. 1949, am Tag der Einreise in Israel, wird aus Ferenc Hoffmann schließlich Ephraim Kishon.

In Israel heiratet er bald schon seine erste Frau, Eva „Chava“ Klamer, die in Wesselys Doku zu den Zeitzeugen zählt, ebenso Lisa Witasek-Kishon, seine dritte Frau, die er erst 1997 in Wien kennenlernt und 2003 heiratet, nur zwei Jahre bevor er im Januar 2005 im Alter von 80 Jahren stirbt. Auch Witasek-Kishon spricht vor der Kamera, sowie zwei der drei Kinder, Tochter Renana und Sohn Rafi. Die zweite Frau, Sara Kishon, mit der er am längsten verheiratet war, über vier Jahrzehnte, und die er in seinen Büchern oft als "die beste Ehefrau von allen" betitelte, starb 2002.

Bis zu 18 Stunden pro Tag am Schreibtisch

Wenn die Familienangehörigen über den verstorbenen Ehemann oder Vater sprechen, dann ist viel von der Arbeit, vom Schreiben die Rede. Sehr viel. Wenn er an einem Buch saß, erzählt Lisa Witasek-Kishon, bestanden 18 Stunden am Tag aus Schreiben. Vom „Planeten Kishon“ spricht Tochter Renana, und die Kamera fährt durch das volle Arbeitszimmer, zeigt den Schreibtisch, all die Regale mit Manuskripten und Büchern und anderen Arbeitsutensilien.

Der Mann, der mehrfach während des Zweiten Weltkriegs nur knapp dem Tod entronnen ist, wird schließlich zum gefeierten Bestsellerautor („Familiengeschichten“, „Das Kamel im Nadelöhr“, „Der Blaumilchkanal“) mit einer Gesamtauflage zu Lebzeiten von 43 Millionen verkauften Büchern, davon mehr als 30 Millionen allein in Deutschland. Gewohnt hat er hingegen in Israel – dem Land, dem er den Spiegel vorhält und alle Bürokratie und Kleingeistigkeit satirisch überhöht – und in der Schweiz.

Die Deutschen lieben Kishon und stehen bei seinen Lesungen endlos Schlange. An manchem Abend – meist tritt er gemeinsam mit seinem langjährigen deutschen Übersetzer Friedrich Torberg auf – verkaufen sich tausend Bücher. Ephraim Kishon wird zu einem bundesrepublikanischen Phänomen, ohne jemals hier gelebt zu haben. Es ist ein Paradoxon der Geschichte.

„Lachen, um zu überleben. Ephraim Kishon“, Mittwoch 21 Uhr 50 und dann in der Arte-Mediathek

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