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David Bowie im Jahr 1970.

© Alamy Stock Photo 2019/Arte

Arte-Dokumentation: Bowies frühe Jahre

Eine Arte-Doku über den Superstar, als er noch David Robert Jones hieß und Ziggy Stardust noch in weiter Ferne lag.

„Stinknormale Beatband. Ein Amateursänger ohne jede Persönlichkeit“: So urteilte die Musikabteilung des britischen Fernsehsenders BBC über einen Auftritt von David Bowie und seiner damaligen Band „The Lower Third“. Eine Arte-Dokumentation blickt auf jene frühe Phase, bevor dem Sänger nach empfindlichen Rückschlägen der Durchbruch gelang.

David Bowie gilt als Ikone des Pop. Der vielseitige Sänger beeinflusste Generationen von Künstlern. Das war aber zunächst nicht abzusehen. Der Brite Francis Whately erinnert an eine unbekannte Seite des Musikers: als David Bowie noch nicht David Bowie war. Sein Dokumentarfilm rekonstruiert eine unstete Phase des Experimentierens und des Scheiterns. Dazu taucht die Doku mit einer überbordenden Fülle an Archivmaterialien in die 1960er Jahre ein. Damals schien niemand gewartet zu haben auf den unscheinbaren jungen Mann namens David Robert Jones aus einem Londoner Vorort, der krampfhaft versuchte berühmt zu werden.

Dabei wusste dieser dürre, etwas anämisch wirkende Kerl zunächst nicht einmal, ob er überhaupt singen kann. In seiner Not imitierte er Anthony Newley, einen schwülstigen Musicalinterpreten, der seinerzeit recht populär war. Auf der rastlosen Suche nach seinem persönlichen Stil saugte der junge Bowie begierig neue Trends und Strömungen in sich auf, von der Travestie über SM bis hin zur Pantomime. Seltene Filmaufnahmen zeigen ihn in einem Zwei-Personen-Stück an der Seite von Lindsey Kem, einem Tänzer und Choreographen, mit dem er eine Beziehung hatte und von dem er lernte, dass Rock & Roll vor allem eines ist: Theater.

Der Zauberlehrling des Pop

All diese heterogenen Einflüsse, so verdeutlicht der Film, wird der junge Pop-Zauberlehrling erst allmählich in einem schmerzlichen Prozess integrieren. In dieser Zeit schrubbte er Küchenfußböden. Einen festen Job konnte er nicht annehmen. Schließlich musste er allzeit bereit sein für ein Vorsingen. Um das Geheimnis von David Bowie zu ergründen, kommt die Doku allerdings nicht ganz ohne Küchenpsychologie aus. Vor der Kamera erklärt seine Cousine Kristina Amadeus, Bowie sei nur deshalb berühmt geworden, um seiner Mutter Peggy zu gefallen, eine kaltherzige Frau, die aussieht wie Margarete Thatcher, und ihren Sohn nie geliebt haben soll. Und um nicht das Schicksal seines älteren Halbruders Terry Burns zu teilen, der nach mehr als einem Jahrzehnt in der geschlossenen Psychiatrie Suizid verübte, praktizierte David Bowie die Schizophrenie lieber auf der Bühne und der Leinwand. Hier wird er sich in Ziggy Stardust und später in den Mann, der vom Himmel fiel verwandeln.

Als müsste er es Bowie recht machen, beginnt der Dokumentarfilm wie eine audiovisuelle Grenzerfahrung. Videoschnipsel, Off-Kommentare und Schrifteinblendungen fügen sich zu einem kubistischen Bildgestöber. Glücklicherweise ist dieser Manierismus nicht durchgängig. Dokumentation ist auch im positiven Sinn konventionell. Zu Wort kommen die einstige Geliebte Hermione Farthingale, Weggefährten und frühe Bandmitglieder. Letztere sehen heute aus wie pensionierte Lastwagenfahrer. Mit einen Lächeln auf den Lippen berichten sie, wie sie einst Liedschatten auflegten und in hautenge Glitzerkostüme schlüpften.

Auf den Höhepunkt der kurzweiligen Hommage sitzt der Studiotechniker und Klangmagier Tony Visconti an den Reglern und demonstriert, aus welchen akustisch-musikalischen Bestandteilen „Space Oddity“ zusammengesetzt ist, jener erste Hit, mit dem David Bowie 1969 schließlich in den Pop-Orbit abhob, aus dem er erst mit seinem Tod im Jahr 2016 zurückkehrte. Gänsehaut ist garantiert.

„David Bowie – Die ersten fünf Jahre“, Arte, Freitag, 22 Uhr 25

Manfred Riepe

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