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1962 beenden die Verträge von Évian den acht Jahre andauernden Konflikt zwischen der französischen Armee und der algerischen Unabhängigkeitsbewegung.

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Arte-Doku zum Algerienkrieg: Als das Mittelmeer durch Frankreich floss

Vor 60 Jahren endete der Kolonialkrieg um Algerien: Eine Arte.Doku-Serie zum Kampf um Unabhängigkeit.

An der Befreiung Frankreichs von der deutschen Besatzung waren auch Soldaten aus den Kolonien beteiligt. Mehr als 100 000 Algerier kämpften während des Zweiten Weltkriegs in der französischen Armee. General de Gaulle versprach ihnen in einer Rede im Januar 1944 Reformen und Fortschritt.

Daraus wurde nichts, stattdessen wurden jene gnadenlos verfolgt, die die Unabhängigkeit forderten. Nach dem Ende des Krieges im Mai 1945 sei es zu „einer langen Kette von Gewalttaten“ gekommen, heißt es in der sechsteiligen Doku-Reihe „Der Algerienkrieg“ (in der Arte-Mediathek). Dörfer seien von der französischen Armee bombardiert worden, Siedler-Milizen „rotteten sich zusammen und mordeten ungestraft“. 15 000 Algerierinnen und Algerier seien getötet worden.

All das geschah noch vor dem Attentat an Allerheiligen im Jahr 1954, bei dem ein französischer Kolonialbeamter und ein Lehrer erschossen wurden, was heute als Beginn des Algerienkriegs gilt. Er dauerte fast acht Jahre und kostete mehr als 400 000 Menschenleben.

Vor 60 Jahren endete mit dem am 18. März 1962 in Evian unterzeichneten Abkommen Frankreichs Kolonialherrschaft. Es war ein ebenso langwieriger wie blutiger Endkampf der westeuropäischen Vorherrschaft in Nordafrika.

Bildmaterial aus dieser Zeit liegt bereits reichlich vor, von privaten Video-Aufnahmen bis zum Teil erschütternden Foto- und Film-Dokumenten der auf allen Seiten begangenen Gewalttaten und Grausamkeiten.

Geradezu erschütternd ist die Offenheit

Der Sechsteiler lebt außerdem von den zahlreichen Interviews mit mehr als 50 Betroffenen und Beteiligten, darunter einem Dutzend Frauen: Zivilistinnen und Soldaten, Kämpfer der Armee, der Befreiungsbewegungen und kolonialen Milizen. Der Algerienkrieg wird aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt, von Arabern, Franzosen und Algerienfranzosen, den so genannten Pieds-noirs (Schwarzfüßen).

Französische Familien lebten zum Teil seit der fünften Generation in der seit 1830 existierenden Kolonie, die in Frankreich gar nicht als Kolonie galt. Die Kinder lernten in den Schulen, dass das Mittelmeer durch Frankreich fließt.

Allerdings kümmerte es die europäischen Machthaber wenig, dass algerische Kinder gar nicht oder bis zum Ende der Grundschule unterrichtet wurden. „Wir haben allen eingeimpft, dass die Nordafrikaner eine minderwertige Rasse seien und der Islam eine minderwertige Religion. Vielleicht war das eine Voraussetzung für die Kolonialisierung“, sagt die in Algerien aufgewachsene Héliette Paris.

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Die Serie ist vor allem ans französische Arte-Publikum gerichtet. Die Wendungen in der französischen Politik und die internen Machtkämpfe bei den Rebellen werden sorgfältig nachvollzogen – immer wieder ergänzt durch die Stimmen und individuellen Erinnerungen der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen.

Geradezu erschütternd ist die Offenheit, mit der hier Täter unverblümt über Liquidierungen, Bombenanschläge und Kriegsverbrechen berichten. Abgesehen davon, dass somit auch diese historische Serie Allgemeingültiges über das Wesen eines Krieges offenbart (also gar nicht aktueller sein könnte), wäre die Einbettung in einen größeren Kontext wünschenswert gewesen.

Frankreichs Kolonialgeschichte, der Kampf um Unabhängigkeit in anderen Ländern, der Kalte Krieg, die Reaktionen von Frankreichs Verbündeten – solche und andere Aspekte tauchen nur sporadisch auf.

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