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Duzfreund. Hitler und die Führungsriege der SA: Stabschef Ernst Röhm.

© arte

Arte-Doku über „Röhm-Putsch“: Mordkomplizen

Ein Arte-Dokumentation klärt über den Mythos vom „Röhm-Putsch“ auf. Manches wird aber nicht ausreichend dargestellt.

War der „Röhm-Putsch“ im Sommer 1934 lediglich eine „parteiinterne Säuberungsaktion“? Bis zu einem gewissen Grad sei dieses Bild in der Öffentlichkeit bis heute verbreitet, sagt der französische Historiker Nicolas Patin. Etliche Autoren seien dieser Nazipropaganda aufgesessen.

Dahinter habe die Idee gestanden, die Opfer des konservativen Milieus, etwa den Mord am früheren Reichskanzler Kurt von Schleicher, totzuschweigen. Wie der Arte-Dokumentarfilm „Durch Mord zur absoluten Macht“ nahelegt, ist die historische Forschung weiter: Mit den vor allem von der SS durchgeführten Verhaftungen und Mordaktionen überwiegend gegen SA-Funktionäre und konservative Politiker in den Tagen nach dem 30. Juni 1934 schaltete Reichskanzler Adolf Hitler nicht nur einige der letzten verbliebenen Widersacher aus.

Die Reichswehr, die sich für Sicherungsaufgaben zur Verfügung gestellt habe, sei zum „Mordkomplizen“ geworden und habe sich Hitler auf diese Weise ausgeliefert. Das sei „vielleicht sogar der wichtigste Aspekt“, erklärt der deutsche Historiker Ulrich Herbert.

Mit dem „Gesetz über Maßnahmen zur Staatsnotwehr“ vom 3. Juli wurde staatlicher Terror endgültig legalisiert. Nachdem Reichspräsident Paul von Hindenburg am 2. August gestorben war und Hitler sich zu seinem Nachfolger ernannte, war die im Titel des Films erwähnte „absolute Macht“ erreicht. Auch Soldaten mussten nun einen „Heiligen Eid“ auf den Führer ablegen.

Wobei es der von Arte France produzierte Film mit der Dekonstruktion der Nazipropaganda auf der Bildebene locker nimmt. Da flattert die Hakenkreuzfahne zum Vorspann und auch sonst gerne mal, marschieren die Massen und heben tausendfach den Arm zu „Sieg Heil“-Rufen, wechseln sich martialische Bilder mit der scheinbar harmlosen Propagandavariante von friedlichen Alltagsschnappschüssen ab.

Seit dem ZDF-Zeithistoriker Guido Knopp vorgeworfen worden war, sich allzu naiv dem ästhetischen Faszinosum des Faschismus hinzugeben, ist man da in Deutschland vorsichtiger geworden. Offenbar hat es den Effekt in Frankreich nicht gegeben.

Countdown-ähnliche Dramaturgie

In der Originalversion lautet der Titel sogar: „La Nuit des Longs Couteaux“ („Die Nacht der langen Messer“). In der deutschen Fassung wurde nicht nur der Titel umbenannt, am Ende nimmt eine Einblendung eine Art Distanzierung vor: „Die Nacht der langen Messer“ sei eine von den Nazis gerne verwendete Redewendung und „Teil der LTI, der Lingua Tertii Imperii“, heißt es etwas neunmalklug.

So kommt der Philologe Victor Klemperer, der das Standardwerk zur „Sprache des Dritten Reichs“ kurz nach dem Ende der Nazi-Herrschaft veröffentlicht hatte, zu Ehren, ungenannt.

Der Film („Durch Mord zur absoluten Macht“, Dienstag, Arte, 20 Uhr 15) will einerseits durch eine Countdown-ähnliche Dramaturgie Spannung erzeugen, beginnend am 28. Juni, an dem Hitler morgens von Berlin-Tempelhof aus ins Rheinland flog.

Andererseits bieten die Autoren, unterstützt durch die Kommentare von sieben Historikern, durchaus Einordnung und einen Überblick über die Entwicklung, seit Hitler und der spätere SA-Führer Röhm Anfang der 1920er Jahre in München den Kampf gegen die Demokratie aufnahmen.

Röhms Schlägertrupp steht für zahllose Gewaltakte gegen politische Gegner, was im Film nicht ausreichend dargestellt wird. Im Sommer 1934 werden SA-Funktionäre nach einem vornehmlich von Reinhard Heydrich, Hermann Göring und Heinrich Himmler konstruierten Putschvorwurf selbst zum Opfer. Am 1. Juli wird Ernst Röhm, der tags zuvor von einem SS-Trupp in einem Hotel in Oberbayern verhaftet worden war, im Gefängnis München-Stadelheim erschossen – auf Befehl des Reichskanzlers.

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