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„Las Meninas“ von Velázquez ist eines der bekanntesten Werke im Museo del Prado in Madrid.

© Konrad Waldmann

Arte-Doku über große Museen: Kunst ertanzen

Schnelle Schnitte, Making-of-Szenen, dramatische Lichtregie: Arte zeigt mit einer Doku-Reihe über große Museen, wie spannend Wissensvermittlung sein kann.

Wer eine Ahnung davon bekommen möchte, wie die Maßstäbe an Kunst heute sind, der stelle sich für einen Moment die legendäre TV-Redakteurin Wibke von Bonin neben Matt Lodder vor. Lodder, promovierter Kunsthistoriker aus dem englischen Essex, hat einen trainierten Körper voller Tattoos und eine Brille mit schwarzem Rand wie Rohrstahl. Die ebenfalls promovierte Wibke von Bonin dozierte noch in den neunziger Jahren im WDR-Fernsehen über „1000 Meisterwerke“ – im feinen Kostüm und in der festen Überzeugung, dass es vor allem um die Vermittlung von Wissen geht.

Lodder hingegen sitzt zum Auftakt der neuen Arte-Reihe „The Art of Museums“ in einer Schaltzentrale, die staubiges Dachbodenflair mit Hightech verknüpft. Umgeben von Bildschirmen performt er seine Ansagen über die Virtuosen der Vergangenheit: Vincent van Gogh, Diego Velázquez, Edvard Munch. Dazu gibt es Musik, flashiges Licht – und eine stattliche Anzahl von Prominenten.

Lodder ist Türöffner und Sidekick. In den Museen, die Thema der achtteiligen Dokumentation sind, sprechen dann Zeitgenossen wie Wolfgang Joop, Marina Abramovic oder Vivienne Westwood über die Kunst vergangener Jahrhunderte. Die Choreografin Sasha Waltz belässt es nicht beim Reden: Sie tanzt sich im Pariser Musée d’Orsay durch die Räume und setzt ihren eigenen Körper in ein Verhältnis zu den Proportionen der Skulpturen nach antikem Ideal.

Kann so etwas funktionieren? Dass man sich Kunst, wie es Christian Beetz (Gebrüder Beetz Filmproduktion) als Produzent tut, über die Architektur erschließt, in der die Meisterwerke teils seit Jahrhunderten aufgehoben sind? Und dass die Kommentatoren, eine bunte Mischung aus Punk, Mode, Literatur und Malerei, ihre ganz eigene Meinung zu den jeweiligen Meisterwerken haben?

Kritisches zur Kindererziehung in Zeiten von Helikopter-Eltern

Es geht hervorragend. Wenn Udo Kittelmann und Katharina Grosse über die Berliner Nationalgalerie und ihre Schätze sprechen, versteht man ein bisschen mehr, wie dieser Kunstkoloss funktioniert. Und wenn die Mode-Avantgardistin Vivienne Westwood durch das Kunsthistorische Museum Wien schlendert, vergisst sie weder ihre wichtigste Mission – „Buy less!“ –, noch, was sie ihrem Publikum schuldig ist.

Kritisches zur Kindererziehung in Zeiten von Helikopter-Eltern, solche Gedanken entzünden sich vor dem Gemälde der prachtvoll aufgerüschten „Infanta Magarita“ von Velázquez. Werke von Pieter Bruegel, Caravaggio und Rubens schließen sich an – und noch ein leidenschaftliches Plädoyer gegen den Konsum.

Nebenbei erfährt man einiges über die Historie des Hauses, schaut Restauratoren bei der Arbeit zu und gelangt dank der Kamera in weitere Kammern, die den Besuchern sonst verschlossen bleiben. Der Besuch des Madrider Prado, mit dem „The Art of Museums“ am Sonntag beginnt, dokumentiert anhand von Fotos und Filmausschnitten die traumatische Geschichte jener Institution, die im Spanischen Bürgerkrieg von Francos Truppen bombardiert und fast zerstört worden wäre.

Das alles klingt spektakulär. Schnelle Schnitte, Making-of-Szenen und eine dramatische Lichtregie unterstreichen den Anspruch auf ein Format der Kunstvermittlung, das keine Sekunde langweilen soll. Gelungen ist das, weil Beetz und seine Mitstreiter über allem nicht vergessen, was ihnen wirklich wichtig ist: die Kunst. Auch im lautesten, schrägsten Setting wird sie mit Samthandschuhen angefasst. Es ist tatsächlich eine Dokumentation mit Vorbildcharakter, die – wie zu Zeiten Wibke von Bonins – ihren Platz im öffentlich-rechtlichen Programm verdient hat.

„The Art of Museums“, Arte, ab Sonntag wöchentlich, 15 Uhr 35

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