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Ein Tatort. Liegt das Böse in den Genen? Diese Frage beschäftigt die Menschen seit jeher. Die Ansätze, das Böse zu erklären, sind so vielfältig wie das Böse selbst.

© Mauritius Images/ZDF

Arte-Doku über das Böse: Woher der Hass kommt

Eine Arte-Dokumentation analysiert „Die Biografie des Bösen“. Es gibt nie nur einen einzelnen Grund.

An einem heißen Sommertag im Juli 2011 begibt er sich in die Innenstadt von Oslo, wo er mit den aus Tonnen an Düngemitteln zusammensetzenden Bomben den ersten Anschlag verübt. Alle Aufmerksamkeit, die der Medien und die der Polizei, ruht auf diesem ersten Anschlag im Regierungsviertel. Dann begibt er sich aus Oslos Innenstadt hinaus auf einen der Binnenseen mit den vorgelagerten Inseln, Ziel ist die Insel Utøya. Dort streicht er durch ein ein Jugendcamp umgebenden Wald und schießt auf junge Menschen. Einen nach dem anderen bringt er um, verfolgt sie durch das Camp, jagt durch die Wälder. Es dauert keine anderthalb Stunden. Am Ende werden 77 Menschen ihr Leben lassen. Der Täter, der 1979 in Oslo geborene Anders Behring Breivik, sitzt nach einer Gerichtsverhandlung heute in Haft, er ist zu 21 Jahren und anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Eine lebenslange Freiheitsstrafe kennt Norwegen nicht – auch nicht für einen Massenmörder.

Warum ist ein Mensch böse? Woher kommt dieses Element des Bösen, das einen Menschen, etwa einen Massenmörder wie Breivik, zu einer solchen Tat antreibt? Ist ein solcher Mensch von Geburt an per se durch seine Gene böse, ist es ihm anerzogen worden, hat es ihm das soziale Umfeld implementiert oder ist es eine rein individuelle Entwicklung, die hin zum Bösen führt? Fragestellungen, die die Dokumentation „Die Biografie des Bösen“ von Gerrit Jöns-Anders und Amrei Topçu aufgreift und ihnen in geboten nüchterner Sachlichkeit nachgeht.

[„Die Biografie des Bösen“, Samstag, Arte, 21 Uhr 45]

Da ist zunächst der Norweger Breivik, dessen Kindheit näher beleuchtet und hinterfragt wird. Forensikerinnen, Psychologen, Wissenschaftlerinnen kommen zu Wort, unter anderem wird das sogenannte „epigenetische Gedächtnis“ thematisiert und die Frage gestellt, ob ein solches mittels therapeutischer Maßnahmen verändert werden kann. Von der überforderten Mutter, die am Borderline-Syndrom leidet, ungewollt und ungeliebt, begleitet Breivik das Motiv der Ablehnung von Kindesbeinen an.

Sozial unerwünschte Geburten

„Eine sozial unerwünschte Geburt“ wird das von einer forensischen Psychiaterin genannt. Früh schon wird Breivik, dessen Eltern sich bald trennen, als Kind als verhaltensauffällig beschrieben, als jemand, der keinen Zugang zu Emotionen habe. Seine Entwicklung zum Außenseiter scheint programmiert. Den Massenmord, den der damals 32-Jährige im Juli 2011 begeht, bereitet er lange vor, niemand stört ihn dabei, niemand fragt nach. Eine ganze Zeit lang lebt der junge Mann in einem Zimmer in der Wohnung seiner Mutter, zu der er nach einem schon früh gescheiterten Leben zurückkehrt. Zu der Mutter, die ihn nie wollte. Dort, hinter verschlossener Tür, verbringt er Tage und Nächte im Internet. Dann schlägt er zu.

Andere Fälle sind der Pole Leszek Pekalski oder der aus Kärnten stammende Jack Unterweger. Der eine – auch „die Bestie von Osieki“ genannt – hat in den 1980er Jahren 80 Menschen umgebracht und Polen in Angst und Schrecken versetzt, der andere ist ein Frauenserienkiller. Pekalski kommt nach einer Vergewaltigung seiner Mutter in der nordpolnischen Provinz zur Welt, wird früh von der Mutter weggegeben, landet im Heim, wird überall nur „der Bastard“ gerufen, gelangt nach vier Jahren im Heim zur rigiden Großmutter, die ihn quält, die Hände des Jungen bei kleinsten Vergehen auf die kochend heiße Herdplatte presst. Es ist nicht zuletzt auch die frühe Ausgrenzung, der frühe Missbrauch, die destruktive Entwicklung, die aus diesen Menschen später einmal Täter macht, sie böse werden lässt.

Derzeit nennt die Forschung letztlich drei entscheidende Gründe, die das menschliche Verhalten maßgeblich prägen: die Gene, die Sozialisation und schließlich die individuelle akute Lebenssituation.

Klar wird nach den Ausführungen und Fallbeispielen also, dass es meist nie nur ein einzelner Grund ist, der einen Menschen böse werden lässt. „Das Böse ist unsichtbar und hat viele Gesichter“, heißt es im Off-Kommentar am Schluss. Klar aber ist auch, dass die Taten mithin aus den komplexen Biografien der Täter heraus zu rekonstruieren sind: So entsteht am Ende die Biografie des Bösen.

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