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Storys vom Krampus.Waltz weiß, wie man einen beunruhigenden Bösewicht spielt, aber auch sympathische Charaktere wie den Bonvivant Dusan in „Downsizing“.

© Paramount Pictures

Arte-Doku über Christoph Waltz: Nie war das Böse charmanter

„Das geht Sie gar nichts an“. Eine Arte-Doku porträtiert den Hollywood-Star Christoph Waltz.

Mörder, Exzentriker, Psychos: Keiner verkörpert sie so bedrohlich wie der kultivierte Österreicher Christoph Waltz. Mit ihrem Porträt gratulieren der Produzent Kurt Mayer und die Filmexpertin Gabi Flossmann ihrem berühmten Landsmann, der am 4. Oktober 65 Jahre alt wird. Weltberühmt wurde er 2009 in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ als sadistischer Nazi. Nie zuvor hatte man auf der Leinwand eine derart diabolische Böswilligkeit erlebt. Wer ist dieser distinguierte und zugleich abgrundtief fiese Typ? Kaum jemand in der Film- und Kinoszene hatte Christoph Waltz damals auf dem Schirm.

Dabei stand der sympathische Unsympath seit über 30 Jahren vor der Kamera. Meist in routinierten Fernsehproduktionen wie „Derrick“ und „Kommissar Rex“. Durch seine ungestüme, zugleich aber immer präzise Spielweise gab er diesen Dutzendproduktionen einen besonderen Kick.

Exemplarisch zeigte sich dieses Talent 1994 in „Tag der Abrechnung – Der Amokläufer von Euskirchen“. In diesem Drama nach einer wahren Begebenheit brillierte der Österreicher als skurriler Sonderling, der sich wegen Misshandlung seiner Freundin vor Gericht verantworten muss. Dabei richtet er ein Massaker an und jagt Teile des Justizgebäudes in die Luft.

Solche Psychos lässt Christoph quälend normal erscheinen – um dann sukzessive ihre inneren Abgründe nach außen zu stülpen. Ein breiteres Publikum staunte erstmals über diese Fähigkeit, als er 1996 in die Rolle von Roy Black schlüpfte. Dabei sah er dem Schlagersänger kein bisschen ähnlich. Trotzdem hatte man in „Du bist nicht allein“ den echten Roy Black schon nach wenigen Minuten vergessen („Christoph Waltz – Der Charme des Bösen“, Sonntag Arte, 21 Uhr 55).

Das Geheimnis, sich nahezu jeder Rolle anzuverwandeln, liegt in der Sprache. Christoph Waltz spricht Sätze so aus, dass sie überartikuliert, zugleich aber auch stets ein wenig gedrechselt klingen. Diese Sprachgewalt begeisterte Quentin Tarantino gleich beim ersten Vorsprechen. Entsprechend zeigt die Dokumentation den Österreicher als polyglotten Small Talker. In Jimmy Fallons „Late Night Show“ erklärte er die folkloristische Schreckfigur Krampus so urwitzig, dass das US-amerikanische Publikum sich vor Lachen bog.

Der Film respektiert diese Privatsphäre

Spontaneität? Klamauk? Nein, das ist es nicht, was ihn ausmacht. Immer wieder betont Christoph Waltz, dass er sich ausschließlich am Drehbuch orientiert. „Ich improvisiere nicht. Überhaupt nicht“. Der Film porträtiert ihn als akribischen Handwerker: „Ich lege Wert darauf, dass ich bisweilen so genau bin, dass ich auf Satzzeichen achte“. Zwei Oscars und eine Verewigung auf Hollywoods Walk of Fame brachten ihm dieses penible Arbeitsethos ein.

Wer also steckt hinter dem James-Bond-Bösewicht Ernst Stavro Blofeld, dem SS-Standartenführer Hans Landa aus „Inglourious Basterds“ und dem Kopfgeldjäger Dr. King Schultz aus „Django Unchained“? „Das“, so Christoph Waltz lächelnd, „geht Sie gar nichts an“.

Der Film respektiert diese Privatsphäre, weitgehend zumindest. Freunde, Kollegen und seine Lehrerin vom Wiener Max Reinhardt Seminar, wo der Darsteller sein Handwerk erlernte, streuen Anekdoten ein. Nicht so bekannt ist etwa, dass Waltz um zwei Ecken verwandt ist mit dem Kinoregisseur Michael Haneke. Beide haben den gleichen Stiefvater, den Komponisten Alexander Steinbrecher.

Viel mehr ist nicht zu erfahren vom Privatleben dieses Menschen, der hinter seinem Werk völlig verschwindet. „Ich habe keine wirkliche Mission. Ich will nur genau sein“. Diese Genauigkeit ist im ersten TV-Auftritt von 1977 spürbar, der später dank über einer Million Aufrufen zum YouTube-Hit avancierte. Mit wahrer Todesverachtung singt der 21-Jährige – im quietschbunten, gehäkelten Strampelanzug gekleidet – ein Gaga-Lied.

Der Ausnahmedarsteller, so der Tenor der kurzweiligen Dokumentation, strahlt immer etwas Beunruhigendes aus. Wenn es an der Tür klingelt und – wie in Alexander Paynes Tragikomödie „Downsizing“ – der breit grinsende Christoph Waltz draußen steht, dann ist man froh, dass dies nicht wirklich passiert. Nur im Film.

Manfred Riepe

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