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Laut und wild, genial und teuer: Francis Bacon

© Getty Images

Arte-Doku: Francis Bacon, der Schmerzensmaler

Wenn Bilder Stimmen hätten, würden sie bei Francis Bacon schreien: Arte-Porträt über den wildesten britischen Künstler des 20 Jahrhunderts.

Als Francis Bacon vor 25 Jahren starb, fragten sich viele, wie er überhaupt das stattliche Alter von 82 Jahren erreichen konnte. Sein Leben pendelte zwischen Spieltischen, Trinkgelagen und wüsten Hinterhofschlägereien. Trotzdem war er ein disziplinierter Arbeiter, der mit seinen alptraumhaften Visionen ein neues Kapitel der modernen Malerei aufschlug. Eine Arte-Dokumentation versucht nun das Rätsel dieses Ausnahmekünstlers zu ergründen, dessen Triptychon „Three Studies of Lucian Freud“ mit 142 Millionen Dollar Kaufpreis bis vor kurzem noch das teuerste Gemälde aller Zeiten war.

Im Gespräch mit Galeristen, Mäzenen und Wegbegleitern, darunter die Musikerin Marianne Faithfull und Hollywoodstar Terence Stamp, zeichnet Richard Curson Smith ein dichtes und kurzweiliges Porträt. Filmdokumente zeigen den 1909 in Dublin geborenen Sohn eines Pferdehändlers zumeist in Feierlaune, lassen aber auch seine düsteren Seiten erahnen. „Wenn wir ausgingen“, erinnert sich ein Freund, „war es manchmal, als ob er durch eine Wand in eine andere Welt ging und verschwand“.

Quälende Affären

Der Film folgt dem Künstler in diese düstere Parallelwelt. Als roter Faden dienen dabei die quälenden Affären zu jenen homosexuellen Liebhabern, die ihn auf eine abgründige Weise inspirierten. Peter Lacy, ein sadistischer Ex-Bomberpilot, schubste Bacon einmal durch eine Glasscheibe im zweiten Stock. Trotz schwerer Gesichtsverletzungen habe er ihn danach nur umso mehr geliebt. In späteren Jahren versuchte George Dyer, ein Ganove aus dem Londoner East End, bei Bacon einzubrechen. Er wurde sein Modell und seine wichtigste Muse. Zwei Tage vor der Eröffnung von Bacons großer Ausstellung im Pariser Grand Palais im Jahr 1971 verübte Dyer Selbstmord. Und zwar auf einem Toilettensitz: genau so wie Bacon den Freund zuvor gemalt hatte. Dieses tragische Erlebnis, so der langjähriger Freund und Biograph Michael Peppiatt, gab dem Maler „sein vielleicht tiefgründigstes Motiv in seinem Leben“.

Schockierende Röntgenbilder

Diese Ineinanderspiegelung von Leben und Werk, so reizvoll der Dokumentation sie auch nachzeichnet, kann das Schaffen dieses Ausnahmekünstlers natürlich nicht wirklich ausloten. Deshalb beleuchtet der Film auch die einzigartige Technik dieses Autodidakten, der nie eine Akademie besucht hat. Instinktiv widersetzte Bacon sich der seinerzeit vorherrschenden Strömung des abstrakten Expressionismus, um stattdessen den menschlichen Leib mit dem Pinsel zu sezieren. Inspiriert von den seriellen Bewegungsstudien Eadweard Muybridges, einem Pionier der Fototechnik, entwickelte der Maler einen quasi kubistischen Blick auf den männlichen Körper. Gewalt, Zerstörung und Verfall, all die markanten Verbiegungen und Verformungen seiner Figuren, die scheinbar durch den Fleischwolf gedreht wurden, sind keine Allegorie für Krieg und äußere Verletzungen. Mit seinen schockierenden Geisterbildern erstellt Bacon intime Röntgenaufnahmen eines Schmerzes, den jeder von uns mehr oder weniger in sich trägt: Der Schmerz, zu leben. In ihren intensivsten Momenten macht die Dokumentation genau dies spürbar.  

„Das Rätsel Francis Bacon“, Arte, Mittwoch, 21 Uhr 50

Manfred Riepe

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