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Arianna Huffington bei ihrer Buchpräsentation in der Hertie School of Governance.

© dpa

Arianna Huffingtons Erfolgsbuch: Raus aus Stress City

Arianna Huffington, Chefredakteurin der "Huffington Post", erklärt in ihrem Ratgeberbuch "Die Neuerfindung des Erfolgs" die richtige Work-Life-Balance und empfiehlt: sich nach oben zu schlafen.

Wenn sich Arianna Huffington ihr standhaftes, blondiertes Föhnhaar aus der Stirn streicht, ist knapp über dem rechten Auge noch eine kleine Narbe zu sehen. Mit fünf Stichen wurde die Platzwunde genäht, die sie sich zuzog, als sie im April 2007 in ihrem New Yorker Büro zusammenbrach und mit dem Kopf gegen die Schreibtischkante knallte, um später dann in einer kleinen Blutpfütze wieder zu sich zu kommen. Damals habe sie sich gefragt: Ist das Erfolg?

Gut 160 Ohrenpaare sind gespitzt, als Huffington bei der Präsentation ihres Buchs „Die Neuerfindung des Erfolgs“ („Thrive: The Third Metric“) in der Hertie School of Governance in Berlin ihre Geschichte erzählt. Die gebürtige Griechin und Wahlamerikanerin gründete 2005 die US-amerikanische Onlinezeitung „The Huffington Post“, eine hybride Nachrichtenplattform, die zum Großteil auf Berichte anderer Medien verweist. In Fachkreisen gehen die Meinungen dazu auseinander: Einerseits wurde die „HuffPost“ als erste kommerzielle Onlinezeitung 2012 mit dem Pulitzer-Preis geehrt, andererseits steht sie in der Kritik, weil sie ihre Inhalte neben News und Kommentaren fast ausschließlich aus nicht vergüteten Beiträgen freier Autoren schöpft. Im Oktober 2013 startete die deutsche Ausgabe.

Arianna Huffington sucht nach der richtigen Work-Life-Balance

Der Andrang der Hertie-Studenten ist an diesem Abend jedenfalls groß und so lauschen sie der Frau im niemals verrutschenden, smaragdgrünen Cocktaildress, die das „Time Magazin“ zu den 100 einflussreichsten Personen der Welt zählt. Auf dem Podium nennt sie die Platzwundenanekdote, mit der sie auch ihr Buch dramatisch einleitet, ihren persönlichen und im doppelten Sinne „schmerzhaften Wake-up-Call“. Durchschnittlich vier Stunden Schlaf pro Nacht, Stress, anhaltende Dauer- und Überbelastung führten bei der 64 Jahre alten Mutter zweier Töchter zur „Zivilisationskrankheit“ Burn-out. Höchste Zeit also, über die „geradezu toxische Definition von Erfolg“ in unserer Gesellschaft nachzudenken.

Wer Huffingtons Lektüre nach 320 Seiten zuklappt, kann fast gar nicht anders, als geläutert zu nicken. Mit einer wissenschaftlichen Studie und einer medizinischen Statistik nach der anderen werden da die Beweise immer schwerer, die allesamt mehr oder weniger das Gleiche sagen: Wir brauchen eine neue Achtsamkeit, mit der wir unsere Work-Life-Balance ins Lot bringen. Dafür zitiert sich Huffington in über 600 Fußnoten quer durch mehr oder weniger seriöse Fakten, Kinderbücher, Grabreden, erinnerte Ratschläge ihrer Mutter, von Platon bis zur Bibel. Zwischen den Zeilen prangen dazu anschaulich eingerahmt unzählige Weisheiten bekannter Geistesgrößen, zum An-die-Wand-Pinnen und Auswendiglernen, wie: „Du bist nicht dein Bankkonto oder dein Ehrgeiz. Du bist nicht der kalte Lehmklumpen mit aufgeblähtem Leib, den du zurücklässt, wenn du stirbst. Du bist keine wandelnde Ansammlung von Persönlichkeitsstörungen. Du bist Geist, du bist Liebe.“ Carpe diem! Memento mori!

Yoga und Meditation bei der "Huffington Post"

In ihrem vierzehnten Buch, das Huffington selbst als eine Art Ratgeber verstanden wissen will, kritisiert sie, dass wir dem Phantom des Erfolgs hinterherjagen, den wir bislang ausschließlich über Geld und Macht definieren. Dabei ließen wir eine wesentliche dritte Größe außer Acht: das persönliche Wohlbefinden, das wiederum auf Weisheit, Staunen und Großzügigkeit fuße. Unsere moderne Leistungsgesellschaft solle mit dieser „3rd Metric“ von der Vorstellung befreit werden, „dass der einzige Weg zum Erfolg die Herzinfarktstraße nach Stress City ist“. Der epidemischen Ausbreitung von Depressionen, Burn-out und Burnout-Burnout setzt sie Meditation, Yoga, Atemübungen und vor allem genügend Schlaf entgegen. In den Redaktionen der „Huffington Post“ in New York und Washington gebe es dafür bereits entsprechende Ruheräume und Kurse, die von den Mitarbeitern mittlerweile auch dankend angenommen würden. Die deutschen Kollegen können da nur neidisch über den großen Teich lugen. Auf Nachfrage, warum das redaktionelle Wellnesszubrot hierzulande noch nicht angeboten wird, verweist Huffington sofort auf Cherno Jobatey, den deutschen Herausgeber und Moderator des Abends. Da müsse man mal ran.

Ob es sich die aufstrebende Generation Y am unteren Ende der Erfolgskette erlauben kann, ihr Smartphone nach Dienstschluss abzuschalten und erfrischende Nickerchen am Arbeitsplatz vertraglich festhalten zu lassen? Huffington versichert: „Absolutely!“ Den Huffington Way of Life, man muss ihn sich leisten können. Im Februar 2011 verkaufte Huffington ihr Unternehmen für 315 Millionen Dollar (rund 250 Millionen Euro) an AOL. Und blieb Chefin. Mit acht Stunden Schlaf pro Nacht.

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