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Ehrlich währt am längsten? Maren (Rosalie Thomass) hat sehr viel Geld gefunden. Dass sie es behalten will, bringt sie in ernsthafte Schwierigkeiten.

© SWR/Constantin Television

ARD-Thriller: Versuchung im Parkverbot

Im ARD-Thrillerdrama „Jackpot“ liefern sich Rosalie Thomass und Thomas Loibl ein packendes Duell um eine Sporttasche voller Geld.

Der „Jackpot“, wie das SWR-Thrillerdrama von Frédéric Hambalek (Drehbuch) und Emily Atef (Regie) heißt, ist eine Tasche voller Geld – das Ticket für ein neues Leben. Dumm nur, dass sie dem kriminellen Besitzer abhanden gekommen und in die Hände einer Ex-Kriminellen gefallen ist. Die Widersacher, die sich nun ein packendes Duell auf Leben und Tod liefern, sind Rosalie Thomass und Thomas Loibl. Wobei: Wer sich in Filmen gerne über Details mokiert, findet dafür gleich in der ersten Szene Nahrung.

Lässt man eine Sporttasche voller Geld auf dem Beifahrersitz seines Autos liegen, nur hastig zugedeckt? Normalerweise nicht, aber die Situation, in der sich Pascal (Kerem Can) befindet, ist alles andere als normal. Pascal hat mehr als eine halbe Million Euro in die Finger bekommen und ist auf der Flucht. Er stoppt das Auto seiner Freundin auf einem Parkplatz, steckt eine Waffe ein, schaut sich besorgt um. Und kaum dass er eine Wohnung in dem Hochhaus-Komplex betreten und einen Schrank geöffnet hat, überrascht ihn sein Killer.

Beide schießen sich gegenseitig über den Haufen, allerdings trägt Henning Karoske (Thomas Loibl) eine schusssichere Weste und rappelt sich bald wieder auf. Das falsch geparkte Auto wurde unterdessen abgeschleppt. Maren (Rosalie Thomass), die bei dem Abschleppdienst arbeitet, entdeckt die Tasche und nimmt sie an sich – freilich nicht in spontanem Überschwang. Sie zögert, denkt nach, wartet, bis ihr Chef Gerhard (Hilmar Eichhorn) Feierabend macht, und schaltet die Überwachungskamera aus, bevor sie die Tasche aus dem Auto nimmt („Jackpot“, Mittwoch, ARD, 20 Uhr 15).

Gleich in den ersten Szenen von „Jackpot“ offenbart sich die Qualität dieses Genre-Films. Neben Action und Tempo sind die Geduld, mit der Regisseurin Emily Atef („3 Tage in Quiberon“) die Protagonistin zu Beginn einführt. Die Präzision, mit der Rosalie Thomass spielt, bezeichnend. Ohne viele Worte offenbart sich ein wichtiger Charakterzug: Maren weiß, was sie tut. Dass sie eine starke Frau ist, wird auch physisch sehr augenfällig erzählt.

Im Büro des Autoservice

Ihren Lebensgefährten Dennis (Friedrich Mücke), der nach einem Arbeitsunfall noch nicht wieder laufen kann, schleppt sie Treppen rauf und runter. Maren ist die Robustere in der Beziehung. Sie handelt nicht zögerlich und schwankend wie Dennis, der sich nur mit Mühe überreden lässt, das Geld zu behalten, und dann doch die Tasche bei Gerhard abliefern möchte.

Hilmar Eichhorn als der mit Maren in väterlicher Freundschaft verbundene Chef und Lorna Ishema als Jenny, die eine gemeinsame kriminelle Vergangenheit mit Maren verbindet, sind überzeugend besetzte Nebenfiguren. Friedrich Mücke ist vielleicht nicht so der Typ Maurer, aber den unentschlossenen, mit sich selbst und seinem Schicksal hadernden Mann im Rollstuhl spielt er überzeugend. Die Polizei und ihre Ermittlungsarbeit spielen dagegen in dem Drehbuch von Frédéric Hambalek keine Rolle.

Gut und Böse sind hier keine Kategorien wie im konventionellen TV-Krimi. Das Realismus-Konzept des Films beschränkt sich auf die notwendigsten Informationen.

Auch die Frage, woher das Geld genau kommt, wird nur angedeutet. Es zählt allein seine Funktion als Versuchung - die Voraussetzung für ein „wahres“ Drama. Insofern ist „Jackpot“ als Mittwochsfilm richtig platziert. Zugleich bietet der Film mit der durchgehenden Jagd nach dem Geld klassischen Thrill.

Maren ist die Identifikationsfigur, die die Behandlung ihres Freundes finanzieren will und der man Erfolg wünscht. Henning ihr skrupelloser Widersacher, der sich nach Pascal als Nächste dessen Freundin Evi (Annika Meier), die Fahrzeughalterin des abgeschleppten Wagens, vorknöpft. Bald stehen sich im Büro des Autoservice die Kontrahenten Maren und Henning Auge in Auge gegenüber – Misstrauen und Anspannung sind mit Händen zu greifen.

Das klassische Gut-Böse-Schema bleibt, doch die Figuren gewinnen immer mehr an Tiefe und Profil – auch der Antagonist. Thomas Loibl bietet eine grandiose Vorstellung zwischen zwei Extremen: als brutaler, furchteinflößender Killer und als fürsorglicher Familienvater, der mit dem Geld eine neue Existenz für sich, seine Frau Angeliki (Artemis Chalkidou) und die kleine Tochter im Ausland aufbauen will.

Im Grunde handelt „Jackpot“ davon, wozu Menschen aus Liebe fähig sind. Das Geld ist eine Art Brandbeschleuniger ihrer Träume, und die schicksalhafte Reise endet, wo sie begann: im Parkverbot. Hübsche Schluss-Pointe.

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